Meine Reisen in den Norden
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Femund 2000

Femund 2001

 

 

The big Frozen

 

 

Femund 2001

Zu Fuß durch die Kälte Norwegens

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Reisebericht von Andreas Hausmann

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 
 
Teilnehmer:

 

 

 

Holger Röde                                 Andreas Hausmann

                                              

 

 


 

 

Prolog

 

I

m Jahr 1999 erlebte ich den vorläufigen Höhepunkt meiner bisherigen Reisen.

Die Befahrung des Yukon River mit der Kanu von Whitehorse nach Dawson City.

Es war die Verwirklichung einer meiner größten Träume.

Die Reise ging über 800 Kilometer durch die kanadische Einsamkeit. Und das auf dem Fluss, der im großen Goldrausch von 1898 Geschichte geschrieben hat. Verbunden mit unzähligen Schicksalen. Für mich war es etwas, von dem ich schon als Kind geträumt hatte, beim Lesen der Geschichten von Jack London.

Zusammen mit Holger Röde folgten wir knapp über hundert Jahre nach dem großen Goldrausch am Klondike River den Spuren der damaligen Glücksritter. Und auf deren Spuren stießen wir auf dieser Reise ständig. Mal war es eine alte verlassene Hütte, mal ein verfallendes Woodcamp. Dann wieder die Reste eines Schaufelraddampfers, welcher auf eine Sandbank gelaufen war oder ein Raddampfer auf einer Insel, inzwischen von Bäumen umwachsen.

In den Hütten fanden wir alte Bettgehstelle, Yukonöfen und sonstige Überbleibsel der damaligen Bewohner.

Durch diese Begegnungen mit der Vergangenheit hatten wir auf der Fahrt Zeit uns gedanklich in die damalige Zeit zu versetzen. Oft träumte ich, am abends am Ufer sitzend, davon, das gleich ein Raddampfer an unserem Lager vorbeidampfen wird, voller Glücksritter.

 

Viel zu lange Zeit ist seit dieser Reise schon wieder vergangen.

Nun wird es einfach mal wieder Zeit, Zeit auszubrechen aus er Monotonie des Alltags,

Zeit wieder in die Wildnis zu reisen,

Zeit wieder von der Hand in den Mund zu leben,

Zeit sich wieder mal um ein Dach über den Kopf kümmern müssen,

Zeit sich Holz fürs Feuer sammeln müssen um sich zu wärmen oder um etwas warmes Essen oder Trinken zu bekommen.

Zeit sich gegen die Kälte, den Regen oder den Schnee schützen müssen.

Zeit nicht einfach nur dazusitzen, die Heizung gegen die Kälte aufdrehen oder Essen aus dem Kühlschrank nehmen und den Herd anzuschalten.

Nein, ich brauche mal wider etwas anderes, einfach Natur pur.

 

Aber wohin? Es soll ja nicht viel Kosten und zudem schnell erreichbar sein.

 

Die Reisen in den Rogennationalpark[1] in den vergangenen Jahren hatten alle immer ihren eigenen Charme gehabt. Das Gebiet um den Rogensee herum, die Röa und der Femundsee waren wie zu einer zweiten Heimat für mich geworden. Vertraut und doch jedes Mal aufs Neue faszinierend.

Wie oft war ich eigentlich schon da oben gewesen? Wie oft habe dort ich in der Sonne gelegen, wurde ich vom Regen durchnässt, habe ich in der Kälte gefroren, habe ich im See gebadet, mir den Bauch mit Blau- und Moltebeeren vollgeschlagen, Pilze gefuttert und Tiere beobachtet? Das Kanu durch dichteste Wildnis geschleppt? Gegen die Wellen angekämpft? Ich habe dort Berge bestiegen, Iglus gebaut und was weiß ich nicht alles.

Der gewaltige Hecht, gefangen von „Doc“ Pfeiffer und „Schatten“.


Vielen Orten haben wir auf diesen Reisen Namen gegeben, Namen die zu festen Begriffen wurden:

 

Biberbucht

Schröderbucht

Moorcamp

Insel

Schweinebucht

Alte Hütte

Frostbucht

Frostcamp

 

 

Der Rogennationalpark, eine wunderschöne zugleich auch abwechslungsreiche Gegend. Es ist die Gegend meiner Lehrjahre in der Wildnis. Hier habe ich zusammen mit meinen jeweiligen Reisepartnern das Grundwissen für den Aufenthalt in der Wildnis erlernt.

 

Etwas ganz Besonderes waren dabei immer die Reisen im Winter gewesen.

Es fing damals ganz harmlos mit einer Kurztour im März, zusammen mit Manfred Dollase, an. Dann kamen die vielen missglückten Versuche bis zur „Alten Hütte“ zu kommen. Als es und endlich einmal glückte, schafften wir es dann auf der nächsten Tour sogar bis zum Rogensee zu kommen.

Was war das damals für ein Anblick. Der Rogensee. Diese riesige Eisfläche, die im Licht der tiefstehende Wintersonne erstrahlte. Er wirkte wie die personifizierte Unendlichkeit.

Am vorderen seitlichen Rand noch begrenzt durch die Bergketten. Um dann in der Ferne aber im feinen Dunst des unendlichen Nichts zu verschwinden. Der See ohne Ende, so kam es mir damals vor.

 

Es waren Reisen voller Kälte. Unvergessen die Reise wo der Messbereich des Thermometer nicht mehr ausreichte. Er endete bei Minus 38,5 Grad!!! Jeden Morgen war der Anschlag erreicht. Zunächst wunderten wir uns, jede Nacht exakt 38,5 Grad Minus, bisschen unwahrscheinlich.

Eine spätere Überprüfung bei einem Optiker ergab dann, dass der Messbereich eben nur bis 38,5 Grad reichte. Wie kalt war es wirklich? Es war wirklich kalt. Wir sind unseren Grenzen da schon ziemlich nahe gekommen.

 

Es waren Begegnung mit der realen Gefahr, als Andreas Kurschatke und Volker Wysocki sich Erfrierungen an den Zehen zuzogen. Kälteflecken auf dem Körper.

Als „Schatten“ oder Armin auf dem See ins Eis einbrachen., zum Glück in Ufernähe!!!

Oder auf Holgers erster Wintertour, als seine Haut an seinem metallenen Messer festklebte. Das war der Morgen im Frostcamp. Zuvor hatte wir Plusgrade gehabt und plötzlich über Nacht sank das Thermometer unter die -30° Marke.

 

Dann war da immer wieder „Schattens“ Traum von der „Alten Hütte“. Glaubte er doch, es handelt sich um ein richtiges Blockhaus., in welchem er sich mal so richtig durchwärmen wollte. Dabei ist die „Alten Hütte“ nur ein ganz kleines Häuschen. Na maximal zwei Leute könnten darin übernachten, nicht aber aufrecht stehen. Mehrere Urlaube mussten wir ihn von der Hütte fernhalten. Er hätte uns das im Winter nie verziehen. Gezeigt haben wir sie im später mal im Herbst.

 

Ja, der Winter mit seiner Kälte, seiner unglaublichen Stille, er fesselt mich. Alles erscheint zu dieser Zeit so sauber und unberührt. Und dann ist da die Auseinandersetzung mit der Natur, mit der Kälte, dem Eis und dem Schnee. Es ist ein abtauchen in den absoluter Grenzbereich. Eine Herausforderung.

Es ist die Jahreszeit, wo man besonders vorsichtig sein muss. Jeder Fehler hier kann tödlich enden. Anderseits ist eine bekannte Gefahr nicht so gefährlich wie eine unbekannte.

Bisher waren wir auf allen unseren Winterreisen immer besonders vorsichtig.

 

Und so soll es natürlich auch so bleiben.

 

J

e mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, ich muss wieder los.

Holger ist sofort begeistert und sagt seine Teilnahme zu.

Was also hindert uns nun noch daran so ganz spontan mal in den Norden zu fahren? Nichts.

 

Ende 2000 beschließen wir, wir fahren 2001 nach Schweden. Holger hatte ja schon vor langem sich einen Opel Frontera als neues Expeditionsfahrzeug zugelegt. Für einen fahrbaren Untersatz war somit gesorgt. Die anderen Kameraden zeigen leider kein Interesse, egal, fahren wir halt zu zweit.

 

Wann? Bisher waren wir immer Februar/ März gefahren, deshalb wollen wir diesmal den Januar ausprobieren. Vielleicht schneit es da ja mehr als im Februar? Das ist für uns immer noch ein Geheimnis. Wann fällt der ganze Schnee, der da im Februar liegt? Vielleicht ja im Januar? Schön wäre es. Dafür sind die Tage im Januar noch deutlich kürzer als im Februar. Schon spannend, wie das so sein wird.

 

Ich habe noch genügend Resturlaub vom letzten Jahr und auch Holger ist damit noch mehr als ausreichend bestückt. Den genauen Reisetermin werden wir erst festlegen, wenn Holger seine Termine für die dienstlichen Lehrgänge hat. Auf einen Schichtdienstler müssen wir diesmal ja keine Rücksicht nehmen. J

 

Eines Tages erzählt Holger mir, dass man neuerdings im Winter in Schweden Winterreifen haben muss, sein Wagen aber hat eine Reifenmindestgröße von 255 Zoll. Da sind Winterreifen ganz schön teuer und ob wir passende Spikes in Oslo bekommen ist auch sehr fraglich. Kann ich mir eigentlich auch nicht so recht vorstellen. Aber warum bleiben wir nicht einfach in Norwegen? Wir können ja zum Femundsee fahren. Und von dort ein Stück auf dem alten Trail von Sörvika in Richtung zum Bauern gehen. Klingt nicht schlecht und Holger ist auch gleich Feuer und Flamme. Gute Idee.

 

Ein weiterer Vorteil von Norwegen als Startplatz liegt darin, dass die Anreise um gut 100 Kilometer kürzer ist. Das spart uns deutlich mehr als eine Stunde Anfahrtszeit. Das wäre genau die Zeit, welche uns bisher beim Bauern immer gefehlt hat. Und ob der überhaupt noch da wohnt ist auch nicht so sicher. Seinen Hof im klassischen Sinn mit Viehzucht und so hatte er ja schon seid langem aufgegeben. Vielleicht wohnt er gar nicht mehr da oder ist am Tage nicht auf dem Hof. Alles Unbekannte die Probleme machen können.

Auf der anderen Seite wissen wir natürlich nicht, ob die Straße nach Sörvika geräumt ist. Meines Wissens nach geht es dort nur zum Anlegeplatz des Versorgungsschiffs Femund II. Ich denke aber doch, dass zumindest ein Stück geräumt ist und von dort können wir Starten.

Und Platz für den Wagen finden wir da auch Irgendwo. Da bin ich mir ganz sicher.

 

Also, es steht fest, wir fahren nach Norwegen, nach Sörvika am nördlichen Ende des Femundsee.

 

Wir hatten damals ja die alten Schlitten Armin (Piko) für seine Kinder geschenkt. Da müssen wir uns jetzt neue kaufen.

Ich hoffe, dass meine inzwischen arg lädierten Schneeschuhe noch eine Tour halten werden. Schon auf den letzten Touren mussten sie mehrfach repariert werden. So sehen sie jetzt auch aus. Anstelle von Drähten findet man starke Sehne und Seil. Sieht blöde aus, hat aber bisher gut gehalten.

 

Ansonsten sollte die Ausrüstung komplett sein. Auf die Kraxe von Manfred ( Dolly) werde ich verzichten. Wir wollen sehen, ob wir die gesamte Ausrüstung auf die Schlitten bekommen.

 

Es kann also losgehen mit unsrer Reise. Sie soll unter dem Motto

 

 

Femund 2001

Zu Fuß durch den Winter Norwegens[2]

stehen.

 

Ob es mit der Kälte etwas wird, das müssen wir noch sehen. Auf den letzten Reisen hatten wir ja immer ziemlich gemäßigte Temperaturen, mal von einigen wenigen Tagen abgesehen.

Planung

 

 

08.01.2001, Montag

 

I

ch sitze im Büro und überlege, dass es eigentlich Zeit wird für unsere Fahrt. Nicht das die Fähren alles mit Wintersportlern ausgebucht sind. Plötzlich ein überenergisches Klopfen und schon fliegt die Tür auf.

„ Mahlzeit, Herr Major. Na, alles im Lot, woll?“

Holger knallt ins Zimmer.

„ Kaffee?“

„ Jawohl. Immer doch.“

„ Na, wie sieht’s aus?“

„ Kann losgehen. Wie sieht’s aus, wollen wir Freitag los?“

„ Freitag? Von mir aus, keine Problem.“

„ Dann wollen wir mal die Fähre buchen. Was ist mit Lunge?

„ Hm, der war krank, hat sich nicht mehr geäußert. Denke er kommt nicht mit.“

„ Sollten noch mal mit ihm sprechen.“

Also rufe ich Volker ( Lunge ) an. Klar, dass er so frisch nach seiner Leistenoperation nicht mit kann. Auch ist er noch krank geschrieben.

Holger schnappt sich den Apparat und ruft in Kiel bei der Color- Linie an. Nächster Termin ist Sonnabend. Und eine Woche später am Sonnabend zurück aus Oslo. Ich nicke und Holger bucht.

Sicherheitshalber fragt er beim „Reifenheini“ in Oslo noch mal nach, ob der nicht doch Spikes für den „Fronty[3]“ hat. Hat er nicht, nur bis 195-ziger.

 

„ Hey, ging doch schnell, was?“

„ Hähä, so schnell habe ich das noch nie erlebt. Saubere Sache, Ausgezeichnet.“

„ Brauchen wir noch was? Was soll ich noch besorgen?“

„ Ich besorge Nahrungsmitten und Schlitten.“

„ Ausgezeichnet, würde ich sagen.“

„ Also ham` wers, was?“

“ Selbstverständlich, empfehle mich sozusagen, was?“

Knallt die leere Tasse auf den Tisch und ist auch schon verschwunden.

 

 

Herrje ging das alles heute schnell und plötzlich. Das muss ich erst mal verarbeiten. Das wir fahren, war mir schon klar. Aber dass das dann so schnell gehen würde. In fünf Tagen bin ich um diese Zeit schon auf der Fähre. Wahnsinn. Total irre.

 


09.01.2001, Dienstag

 

Zeit die inzwischen von mir gekauften beiden kleinen Schlitten in Holgers Wagen zu verladen und morgen werde ich mich um die Verpflegung kümmern. Das Reise Ziel ist endgültig klar. Wir fahren nach Norwegen, zum Femundsee, nach Sörvika. Da hatten Manfred und ich bei unseren Röatouren das Boot gelassen. Mal sehen, ob wir im Winter dort hin kommen. Kartenmaterial habe ich noch von der Gegend.

 

10.01.2001 Mittwoch

 

Mittwoch, mein letzter Arbeitstag. In Gedanken bin ich schon auf der Fahrt. Wie wird das Wetter. So, wie die letzten Reisen. Meist recht mild, aber die eine oder andere Nacht bitterkalt? Oder die ganze Zeit mild und viel Neuschnee? Oder doch eisig kalt?

Am liebsten möchte ich auf das Zelt verzichten. Back to the roots. Nur das wirklich nötigste an Ausrüstung mitnehmen. Aber gleich im Winter? Na ja. Anstelle des Zeltes könnten wir ja Schneehöhlen oder mit dem Poncho Notunterkünfte bauen. Schließlich ist es im Zelt auch nicht viel wärmer als draußen. In einer Schneehöhle ist es dagegen deutlich wärmer. Na, mal sehen. Mitnehmen sollten wir das Zelt schon, müssen es ja nicht benutzen.

 

11.01.2001, Donnerstag

 

Donnerstag, habe die Lebensmittel eingekauft. Schade, Knoblauchsardinen gab es nicht. Ich habe normale Sardinen genommen und eine Knoblauchpaste. Vielleicht schmeckt das ja auch. Durch die vielen Schreckensmeldungen zum BSE Skandal war es gar nicht so einfach Wurst zu bekommen, ohne Rindfleisch und wer kann zur Zeit schon sagen, ob nicht auch in Wurst ohne Rind Rinderteile oder andere gefährlich Dinge sind? Niemand. Jeden tag in den Medien andere Meldungen. Schlimm. Auch mit den Tütensuppen ist es so eine Sache. Da sind auch die vielen unbekannten Dinge drin. 

Ich greife meist auf die Standartdinge zurück. Kartoffelpüreepulver, Reis, Nudeln, Brühe (Hühnerbrühe diesmal), Mehl, Kaffee (diesmal keinen löslichen, sondern normal nur etwas grober gemahlenen)  fetten Speck und Tomatenmark. Nein, kein Mark, sondern Tomatenstücke in der Dose mit Knoblauch. Mal sehen, ob wir das aufgetaut bekommen.

 

Wenn ich mit den Stapel so anschaue, habe ich doch Zweifel, ob ich nicht doch wie immer für vier Leute eingekauft habe.

 

Im Internet habe ich im Wetterbericht von Yahoo mal nachgeschaut, wie die Temperaturen in Norwegen so sind. Begeistert stelle ich fest, sie geben sogar einen lokalen Wetterbericht von Sörvika heraus. Ein dickes Lob für Yahoo.

Und der sagt für die kommende Woche Schneefall und Temperaturen am Tage von +1 bis –2 Grad. In der Nacht in wenigen Nächten bis –8 Grad. Na, das klingt ja nicht ganz so kalt. Nur der anhaltende Schneefall klingt gut.

 


Anreise

 

Sonnabend, 13.01.2001, 1. Tag

 

Position: 53,579 Nord/ 9,766 Ost, Hamburg- Rissen

Wetter:   kühl, feucht, ungemütlich, frostfrei

 

M

eine Ausrüstungsgegenstände türmen sich im Flur. Mein Gott, das soll alles mit? Ins Auto wird es schon passen, aber auf den Schlitten?

Es ist 09:55 Uhr. Holger klingelt. Schon vor einer halben Stunde hatte er angerufen.

„ Na? Fünf Minuten vorher ist Zeit des Offiziers. Alles klar?“

„ Du kennst mich doch. Natürlich, sogar den dicken Faserpelz habe ich dabei.“

„ Hey, was hast Du da alles mit? So viele Sachen? Ich habe nur ganz wenig.“

„ Klar. Das Zelt, die Kochsachen und die Lebensmittel habe ich. Das fehlt bei dir.“

„ Hm, stimmt. Dann bleiben aber immer noch zwei Taschen und eine Tüte.“

„ Klar, einmal für Norwegen meine Sachen und dann zum umziehen auf der Fähre und

  was wollen wir heute Abend auf der Fähre essen? Auch eine Tasche, Würstchen und

  Kartoffelsalat und Trinken. Vergiss den Tabak nicht. Da kommt was zusammen. Außerdem

  habe ich keinen Koffer mit.“

„ Ok, ok. Habe verstanden. Ist ja richtig.“

Wir schleppen die Sachen zum Auto. Opel Frontera, 2.3 Liter Diesel. Ein Geländewagen mit Allradantrieb und sperrbarem Differenzial.

Holger hat die Rückbank umgelegt, so steht uns ein gewaltiger Laderaum zur Verfügung. Locker findet auch mein Gepäck noch Platz.

„ Schaue er mal die Reifen an!“

„ Und? Was ist damit?“

„ Winterreifen!“

„ Wie? Winterreifen? Extra gekauft?“

„ Nee, hatte ich schon immer drauf.“

„ Stark. Was hält und dann noch auf? Ab geht`s.“

 

Auf der Autobahn nach Kiel Nebel und etwas Raureif. Problemlos erreichen wir den Fährhafen.

 

Kiel: 54,317 Nord/ 10,141 Ost

 

Hier liegt schon seid ihrer Ankunft heute morgen die Prinzesse Ranghild, unser Schiff. Bezahlen können wir mit Karte nicht am normalen Schalter. Wir müssen in den Terminal rein.

Am Auto stehen wir wartend in der Wintersonne. In meiner Weste entdecke ich eine Packung Kaugummis.

„ Na, `n Kaugummi gefällig?“

„ Klar, immer.“

Ich stecke mir auch einen Streifen in den Mund. Bisschen bröckelig ist es schon. Komisch, selbst im Mund findet es keine Bindung. Staubtrocken ist es.

„ Was ist das denn? Die Dinger sind ja völlig ungenießbar. Wie alt sind die denn? Bääääh.“

„ Hähä, wohl`n bisschen älter. Warte mal, wann hatte ich denn die Weste zuletzt an?

   Muss schon`n paar Jahre her sein.“

„ Willst Du uns schon hier vergiften?“

Spucken wir den Kram besser aus. Gar nicht so einfach die Krümel alle aus dem Mund zu bekommen. Ich finde in der Weste ein anders Päckchen, doch Holger will nicht mehr. Ich werfe alle trockenen Kaugummis weg. Bringt ja doch nichts.

 

Nach kurzer Wartezeit fahren wir an Bord und suchen hier sofort unsere Kabine auf. Im Gegensatz zu den Fähren der Stena Linie liegen hier bei der Color Linie die günstigen Kabinen ( 2 Sterne ) nicht unter dem Autodeck sondern im dritten Stock, zusammen mit der Rezeption und den Aussichtssesseln. Da fühlt man sich wesentlich sicherer und auch besser aufgehoben. Man wohnt quasi im Leben, nicht im Keller unter dem Wasserspiegel..

 

Zunächst einmal essen wir unser mitgebrachtes Abendbrot, Kartoffelsalat, Würstchen, Fladenbrot und Bier. Als krönenden Abschluss dann ein Pfeifchen. Nach langer Zeit rauche ich mal wieder. Ziemlich ungewohnt. Die Zunge brennt.

 

Mit wohlig gefülltem Magen inspizieren wir dann unser Schiff. Es gibt nichts neues hier. Gelangweilt schlendern wir herum und schauen nach draußen. Verlorene Zeit.

 

Also zurück in die Kabine und ein zweites Abendessen. Das skandinavische Buffet ist sicherlich äußerst reizvoll, aber völlig überteuert. Aus diesem Grund haben wir auf allen bisherigen Reisen zumindest auf der Hinfahrt eigene Verpflegung mitgenommen.

Später setzen wir uns noch ein wenig in die Aussichtssessel und starren ins Dunkel. Unwillkürlich muss ich an „Schattens“ Spruch – Langeland querab- denken. Damit hatte er echt unsere volle Hochachtung bezüglich seiner Kenntnisse erworben. Später haben wir dann rausbekommen, dass er das auf einer Karte abgelesen hat. Haha.

Ab und an beobachten wir aufgeregt herumirrende Passagiere. Was rennen die bloß immer so rum? Und warum in so einer Eile? Ich verstehe das nicht.

 

Früh legen wir uns schlafen. Ein harter Tag steht uns morgen bevor. Da brauchen wir die Ruhe. Und dafür haben wir königlich bezahlt. Verdammt teuer die Fährfahrt.

 

 

Sonnabend, 14.01.2001, 2. Tag

 

Position: auf dem Fährschiff

Wetter:   zu warm, zu trocken

 

S

chlecht habe ich geschlafen. Richtig schlecht. Links plärrte ein Kleinkind in der Nacht und rechts gab es ein Liebespaar:

--- Ohne Männer kann ich hier nicht schlafen.---

Ein Moment Ruhe, dann das Geräusch wie wenn sich eine Person in ein Bett fallen lässt. Gekicher, Anstoßen an die Kabinenwand, ich tippe auf Arm oder Bein. Erneutes Gekicher.

--- Nein, so ist es auch zu eng, so geht das auch nicht---

Wieder Wühlgeräusche.

--- Hihihi, ich bin ja so alleine.---

Das halte ich ja wohl nicht aus.

 

Holger ist immer noch stark erkältet. Die Nacht glich von der Geräuschkulisse her eher einem Wettkamp zwischen Nase und Rachen. Welcher Teil röchelt lauter?

 

Punkt 06:30 Uhr erwache ich, genau wie geplant. Aufstehen und Duschen.

Nachdem auch Holger geduscht ist, gehen wir ein Deck höher, zum Frühstück. Auch dieses Jahr sind wir zu früh hier und müssen wie eben immer, warten. Na, das kennen wir ja nun schon zur genüge. Schon nach kurzer Zeit sammeln sich zahlreiche weitere Hungernde vor dem Eingang. Einige sehen ziemlich zerschlagen aus.

Dann öffnen sich die Pforten zum morgendlichen Fresstempel.

 

Es geht, auch zu zweit, alles planmäßig. Tisch sichern, dann wird rangeschleppt:

 

Kaffee, Saft, Brötchen, Aufschnitt, Rührei, Speck, Würstchen.

Und noch weitere Leckerein stapeln sich auf unserem Tisch. Und wir machen uns mit einem titanischen Hunger über die Leckerein her. Erst mal ordentlich die Kehle mit Saft und Kaffee durchspülen. Wird dauern, bis es wieder etwas (zivilisiertes) gibt. Und so zeigen wir auch keinerlei Hemmungen, haha. Von einigen Nachbartischen werden wir bestaunt. Sollen sie, schließlich sind wir echte Männer der Wildnis. Wir brauchen das.

 

Oslo: 59,909 Nord, 10,757 Ost

 

Um 10:00 Uhr sind wir dann runter vom Schiff und in Oslo, in Norwegen. Im Hafenbecken schwimmen, zwar noch recht dünne, Eisschollen. Scheint aber doch kälter als erwartet zu sein.

Auf der E6 geht es ab jetzt gen Norden. Träger Morgendunst liegt auf der Stadt. Er bildet überall Raureif. Verzweifelt versucht die Sonne gegen den Dunst anzukämpfen. Die Bäume sind weiß mit Raureif überzogen. Am Straßenrand liegt Schnee. Ein Stück außerhalb der Stadt, da wo die Felsen dicht neben der Fahrbahn sind, haben sich riesige Eiszapfen gebildet. Es sieht aus wie gefrorene Wasserfälle.

Gleichmäßig brummend zieht uns der Diesel weiter Richtung Norden. Wir machen Strecke.

 

Nach einiger Zeit beobachten wir, wie sich vor uns auf der Strasse eine sehr dichte Nebelwand bildet. Kaum dringen wir in sie ein, verringert sich die Sicht schlagartig auf wenige Meter. Holger muss sofort das Tempo rapide drosseln. Auf der Windschutzscheibe beginnt der Nebel auch gleich schon zu gefrieren. Holger will die Eisschicht mit der Scheibenwaschanlage entferneren oder zumindest aufweichen. Doch die Scheibenwaschanlage funktioniert nicht. Vermutlich eingefroren. Das Gebläse pustet mit aller Kraft warme Luft gegen die Scheibe, doch es kämpft ohne allzu großen Erfolg. Die Frontscheibe ist und bleibt vereist. Verdammt. Holger muss sich leicht bücken um die Straße überhaupt noch zu sehen.

An der nächsten Tankstelle stoppen wir und füllen, schon aus Sicherheitsgründen, den Tank mit norwegischem Diesel. Dieser hat bei Frost eine bessere Fliesfähigkeit. Mit Schnee versuche ich die Frontscheibe zu säubern, ohne Erfolg, der Schnee will auf der Scheibe nicht schmelzen. Ist das denn so kalt hier? Ok, die Kälte beißt durch die Kleidung, aber das empfinde ich als normal, da ich aus dem geheizten Auto komme.

Holger kommt aus dem Verkaufsraum und pustet sich auf die kalten Hände. Scheint wirklich sehr kalt zu sein. Hat etwa der Wetterbericht nicht Recht? Ach was, das kommt uns nur so vor.

 

Mit Schleichfahrt geht es weiter durch den Eisnebel. Die Heizung ist auf volle Kraft gestellt und nur auf die Frontscheibe. Es dauert dennoch lange, bis das Eis etwas zu tauen beginnt. Alle anderen Scheiben sind bereits hoffnungslos vereist. Ich drücke meinen Zeigefinger gegen die vereiste Seitenscheibe. Lange dauert es, bis das Eis zu schmelzen beginnt. Verdammt.

Die Straße ist spiegelglatt und die Luft saukalt. Das hatten wir auch noch nicht. Viel langsamer als geplant kommen wir voran. Um überhaupt Halt auf der Fahrbahn zu haben, hat Holger den Allradantrieb eingeschaltet. So geht es besser, wenn auch nicht schneller. Alles um uns herum ist mit Frost überzogen und weiß.

So plötzlich wie der Nebel kam, so plötzlich ist er auch wieder verschwunden. Dennoch kommen wir nicht schneller voran. Anstelle der geplanten 80 km/ erreichen wir höchstens 50 km/h. Die Straße ist völlig vereist. Unser Ziel rückt bereits jetzt in weite Ferne.

„ Sieh mal das Dicke Eis da an den Wasserfällen.“

„ Wahnsinn. Das ist aber auch dick, was?“

 

Am linken Rand liegt jetzt der See Mjöson. Über ihm wandert eine neue Nebelwand heran.

„ The fog.“

„ Was?“

„ The fog.“

„ Ja und weiter?“

„ Nebel der Grauens.“

„ Häää?“

„ Es sieht aus wie in dem Film the fog, Nebel der Grauens.“

„ Ach so. Stimmt, hast recht. Kommt langsam zu uns rüber. Bloß weg von hier.“

Aber dieser Nebel erreicht unsere Straße nicht. Glück gehabt. Sah unheimlich aus.

 

Auffallend sind auf diesem Streckenabschnitt die vielen Radarkästen. Die sind neu. Heute aber können sie uns gänzlich egal sein, von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit können wir nur träumen.

 

Bevor wir Elverum erreichen, sehen wir links zwei aufsteigende Rauchsäulen.

„ Sie mal, ob das Dolly und Socke sind?“

„ Du meinst die Rauchsäulen? Sieht aus wie Lagerfeuer, hähä.“

„ Die wollen uns mal zeigen, dass sie noch immer das Zeug zum Feuermeister haben.“

„ Sie hätten ja mitkommen können.“

„ Genau.“

 

Elverum: 60,884 Nord/ 11,563 Ost

 

Holger drosselt das Tempo weiter, vor uns läuft eine Person auf der Straße herum. Daneben, halb im Graben, sein Auto. Verdammt. Wir stoppen und fragen, ob wir helfen können. Er schaut auf unseren Wagen, keine Spikes, nein, er hat schon Hilfe angefordert. Traurig schaut er seinen Wagen an, ein 71`ziger Daimler aus der sogenannten /8 Serie. Schade um das offensichtlich perfekt restaurierte Auto. Er habe „Ice dancing“ gemacht, meint der Zerknirschte.

Wir fahren, jetzt noch vorsichtiger, weiter.

 

Später legen wir eine Pause ein. Holger zieht sich für die Wildnis ums, ich bin es schon, habe aber noch keine Long Johns unter. Unser Thermometer haben wir aufs Wagendach gelegt, es zeigt –15° an. Ups, ganz schön kalt schon.

Eine Dose Cola und eine Pfeife später fahren wir weiter. Der kurze Aufenthalt im Freien hat uns ganz schön durchgekühlt. Unendlich zieht sich die Straße hin. Immer noch spiegelglatt, es wird nicht besser. Der Allrad kostet uns zusätzlichen Treibstoff. Was soll’s? Muss halt sein. Besser als noch langsamer zu schleichen.

 

Am frühern Nachmittag wird uns klar, dass wir Sörvika, unseren Startplatz, nicht mehr erreichen. Zumal wir gar nicht wissen, ob die Straße frei ist. Auch ob wir dort sofort einen Lagerplatz finden. Also beginnen wir bei der sehr früh hereinbrechender Dunkelheit nach einem Platz für die Nacht Ausschau zu halten. So sehr wir auch schauen, es gibt keine Möglichkeit zum Parken.

Røros, die letzte Stadt vor unserem Startplatz kommt immer näher, schon machen wir am Himmel den Lichterschein der Stadt aus. Die ersten vorgelagerten Höfe passieren wir bereist, als plötzlich Holger am linken Rand ein Möglichkeit ausgemacht hat. Etwa acht Kilometer vor Røros.

„ Was meinst Du? War das was?“

„ Hab ich nicht gesehen, aber probier ruhig.“

Zunächst sucht er aber eine Wendemöglichkeit. Langsam schleichen wir zurück. Richtig, am Rand neben zugeschneiten Müllcontainern führt eine kleine Straße rein und mit dem Geländewagen könnte es gelingen neben die Container zu kommen. Ist zwar tief verschneit, aber es könnte klappen. Gegenüber ist Wald. Sieht auch ganz passabel aus.

„ Das ist es. Gut gesehen. Hier bleiben wir. Lager da drüber, andere Seite im Wald.“

„ Na denn, mal den Wagen richtig abstellen.“

„ Nein, halt an und ich nehm` schon mal die wichtigsten Sachen wie Zelt und so mit.

  Einparken kannst Du später noch. Erst mal das Lager.“

„ Geht klar, warte, geht gleich los.“

 

Holger rangiert den schweren Wagen auf die Fläche. Da es jetzt schon fast dunkel ist, muss alles ganz schnell gehen. Ich greife mir die Zelttasche, ziehe die dicken Stiefel an und Jacke an und marschiere über die Straße in den Wald, dort einen Platz suchen und dort das Zelt aufbauen. Zwischenzeitlich walzt Holger mit den breiten Reifen des „Fronty“ den Schnee platt. Während ich weiter aufbaue kümmert sich Holger inzwischen um den Rest des Gepäcks. Nach und nach schleppt er die Sachen ins Camp. Isomatten und Schlafsäcke kommen sofort ins Zelt, dazu als Lichtquelle eine Kerze. Holger zimmert uns ein Dreibein zusammen und sucht Feuerholz.

 

Kaum jedoch steht das Camp, kommt aus der kleinen Straße ein Schneeflug und bleibt vor unserem Auto stehen. Was jetzt?

Holger geht hin, ich beobachte erst mal das Ganze aus der Deckung heraus. Nach eine halben Stunde kommt Holger zurück. Zwischenzeitlich musste er das Auto wegnehmen, damit der Platz an den Müllcontainern geräumt werden kann.

 

Wir mögen kein Feuer machen, so dicht vor der Zivilisation. Also gibt es Cola mit Weingummis zum Abendbrot. Erinnert mich ein wenig an Kanada, unser Camp auf dem kleinen Sandhaufen. Da hatten wir Abends auch kein Feuer und es gab Nüsse und Saft...und wir bekamen am nächsten Morgen Dünnpfiff, hähä. Na, das wird es von Weingummi und Cola schon nicht geben.

 

Am Himmel im Norden leuchtet ein Stern ganz besonders hell. Fällt richtig auf.

 

Auf der Straße rauschen die Autos vorbei. Kein besonders ruhiger Lagerplatz.

Das Thermometer zeigt –18° an. Recht angenehm. Dunkle Wolken beginnen den Himmel zu verdunkeln, also kriechen wir in die Schlafsäcke, ich noch immer ohne Long Johns.

 

Enttäusch liege ich im Schlafsack. Zum ersten mal haben wir es im Winter nicht geschafft den Startplatz zu erreichen. Dabei hatten wir die kürzere Strecke und ein Fahrzeug mit Winterreifen und Allradantrieb. Nun gut, dafür wird es im Januar auch deutlich früher dunkel und dennoch, ich ärgere mich. Normalerweise würden wir morgen in der Frühe aufbrechen, hätten schon alles für den Marsch beisammen. Und nun? Alles wieder einpacken und noch einmal Auto fahren. Dort alles wieder auspacken und die Schlitten packen.

Ach was soll`s? Hat doch auch etwas, dieses Zwischenlager für uns.

 

Gute Nacht.

 

 

Montag, 15.01.2001, 3. Tag

 

Position: 62,576 Nord / 11,382 Ost, 8 Kilometer von Røros

Wetter:   -23°, klarer Himmel, Sterne und Mond, 07:05 Uhr

 

E

s wurde dann doch kühl in der Nacht. Die Schlafsäcke sind im Brustbereich schon mit Eis überzogen, von unserem Atem. Das fängt ja früh an.

Was wir jetzt brauchen ist Feuer, wir bedürfen dringend einen Kaffee und etwas richtiges zu Essen.

Die Kälte dringt, kaum das ich den Schlafsack verlassen habe, durch die Kleidung. Ich habe sofort kalte Hände und eiskalte Füße. Jetzt schon?

 

Bis wir soweit sind, wird es 10:30 Uhr. Die aufgehende Sonne  lässt die Spitzen der Bäume hell aufleuchten.

Nachdem ich noch einmal im Wald war, dachte ich, dass es etwas hygienischer sei, wenn ich mir mit Schnee die Hände ein wenig wasche. Was für eine Idee.

Sofort beißt der Frost in die kalten Hände und ich verliere umgehend jegliches Gefühl in ihnen. Also knete ich die Hände und eile zum Lager zurück. Holger hat das Feuer erhalten, sehr gut. Also ran und die Hände auftauen. Verdammt, das war zu viel Hitze und zu schnell. Hätte ich mir doch bloß mehr Zeit gelassen. Fürchterliche Schmerzen breiten sich in den auftauenden Händen aus. Ich könnte Schreien, so weh tut das. Und es will nicht aufhören. Irgendwann hören die Schmerzen dann doch auf. Und ich habe dazugelernt. Das nächste mal, wasche ich mir gleich am Feuer die Hände.

 

Wir packen, vom Frühstück gestärkt unsere Sachen ein und verladen das Gepäck wieder im Auto. Dann geht es weiter, die letzten Kilometer bis Røros und dann aber vorm Zentrum nicht nach links in selbiges, sondern gleich geradeaus über die Nebenstrecke in Richtung Femunden.

 

Sehr lang zieht sich diese Straße dahin, hatte ich von früher gar nicht mehr so lang in Erinnerung. Recht viele Häuser stehen am Anfang noch am Rand. Das wird aber schnell weniger und um Ende hin gibt es nur noch vereinzelte Gehöfte.

Es wird schon später Mittag als wir das Ende der Straße am Femundsee erreichen. Hier liegt auch, jetzt auf Land gelegt, die Femund II. Das Versorgungsschiff für die Anrainer des großen Sees. Schon ein merkwürdiger Anblick, der Dampfer so groß auf Land. Letztes mal lag er im Wasser, klar, war ja auch noch Spätsommer.

 

Vor uns liegt die Eisfläche des Femundsees. Er wirkt hier gar nicht so groß, aber wir sind auch am oberen Ende, welches sich wie eine Bucht verjüngt. Er ist viel größer als der Rogensee und der kam uns schon so riesig vor. Na, wegen der Größe gibt es hier auch den Dampfer.

Zusammen mit Manfred haben wir damals bei den Röätouren mehr als zwei Stunden gebraucht, um vom östlichen zum westlichen Ufer zu kommen. Und das ist nur die Breite im schmalen oberen Bereich.  Würden wir ihn in Längsrichtung befahren, mit dem Kanu, dann bräuchten wir bestimmt zwei Tage, eher mehr.

 

Der Platz ist hier geräumt und bietet genug Abstellfläche für unseren Wagen.

„ Du, meinst Du wirklich, wir können den Wagen hier so stehen lassen?“

„ Ist doch ein öffentlicher Parkplatz.“

„ Und die Parkverbostschilder?“

„ Die zeigen doch weg, hier ist demnach erlaubt.“

„ Könnte stimmen. Also parke ich hier, ok?“

„ Klar.“

Gesagt, getan, Holger parkt den Wagen am Rand ein.

 

Ohne langes Zögern entladen wir den Wagen und beginnen dann mit dem Bepacken der kleinen Schlitten. Gar nicht so einfach. Die Lebensmitteltasche ist kleiner aber deutlich schwerer als die große Tasche. Das hält so nicht. Also die große Tasche auf die kleine geschnürt. Mein Gott, haben wir viel Gepäck. Wie sollen wir das nur alles mitbekommen. Holger hat da auch so seine Probleme. Er hat seinen Rucksack mit, der passt eigentlich gut auf den Schlitten, aber dazu kommt die Zelttasche und der Kochsack sowie die Isomatte. Und das alles auf den kleinen Kinderschlitten.  Irgendwie bekommen wir es hin. Mit den viel zu hoch bepackten Schlitten und den Schneeschuhen unter den Füßen geht es los.

 

Direkt vor uns eine Hinweis auf den Wanderweg. Eine Skispur folgt ihr. Also nehmen wir die gleiche Route. Sie soll uns von hier, Sörvika, rüber nach Nordvika bringen und dann weiter in Richtung schwedische Grenze. Na mal sehen.

„ Du meinst also, dies ist der richtige Weg?“

„ Klar, wo sollten die, die Spur gemacht haben, denn sonst hingewollt haben?“

„ Hm.“

„ Und ein Hinweisschild war da auch. Weist bestimmt auf den Trail hin.“

„ Na hoffentlich.“

Gleich am Anfang geht es steil bergauf. Ähnlich der Langläufer benutzen wir dabei auch so einen Spreizschritt. Schnellstens wird mir richtig warm von der Anstrengung. Wunderbar, gleich zum Anfang volle Anstrengung. So habe ich mir das gedacht.

 

Recht wenig Schnee liegt hier, ich hatte mit mehr gerechnet. Aber die Temperatur stimmt. Auf den Bäumen liegt dick der Raureif. Offenkundig aber ist, der Schnee sieht nicht besonders frisch aus. Wie hatte er Wetterbericht doch gemeldet? Sowohl am Tage als auch in der Nacht, Schneefall. Das kann nicht gestimmt haben. Hier hat es schon lange nicht mehr geschneit.

 

Plötzlich tauchen vor uns Hütten auf. Verdammt, wo sind wir? Das habe ich anders in Erinnerung. Immer mehr Hütten tauchen nacheinander auf. Wir zerren die Karte raus. So recht klar ist uns nicht, wo wir genau sind, vermutlich zu weit nach Süden abgekommen, da sind Hüten eingezeichnet.

„ Verdammt. Und jetzt?“

„ Egal, einfach weiter, mal sehen, was kommt.“

„ Gefällt mir nicht.“

„ Ach was. Wird schon.“

„ Na denn.“

Hinter der letzten Hütte biegen wir mehr nach Norden ab. Ab hier gibt es keine Spur mehr, wir suchen uns den Weg selber. Den Weg und die Richtung. So gut es eben geht. Der „Weg“ ist sehr holperig und kippen ständig die Schlitten um. Schlimm ist immer, wenn wir die Schlitten zwischen zwei Steinen durchziehen müssen. Dabei kippen die fast jedes Mal um.

Ich habe das Gefühl, wir irren ein wenig in der Gegend herum. Sind wir nun zweit nach Norden oder Süden abgekommen. Ist der hohe Berg im Süden schon der Store Svuku oder der weiter im Norden gelegene Rövola. Und im Westen, ist das wirklich der Flenskampane? Ich bin ziemlich unsicher.

 

Am Nachmittag bauen wir mitten im Wald das Lager auf. Fast völlig egal wo, sieht alles ziemlich gleich aus. Für den Platz spricht, dass hier eine umgestürzte Kiefer liegt und einige gesunde dazu.

Das Thermometer zeigt –20° an. Holz zu sammeln ist nicht so einfach. Da alles mit Raureif überzogen ist, kann man nur schwer unterscheiden, was frisches und was altes Holz ist. Kaum haben wir einen entsprechenden Vorrat zusammen, kochen wir erst einmal ein richtiges Essen.

Beim Essen habe ich den Eindruck, es ist ein wenig angebrannt, zumindest schmeckt es so. Und als der Topf leer ist bestätigt sich dies auch. Mist.

 

Kaum habe wir zum Nachtisch unser Pfeifchen geraucht, wird es schon dunkel, viel zu früh. Das wird dann wohl ein langer Abend. Rasch sammeln wir weiter Holz. Um fünf wollen wir ja noch nicht schlafen gehen. Auch nicht um sechs, wie damals Volker, hähä. Und um das zu verhindern brauchen wir reichlich Feuerholz für ein wärmendes Feuer.

 

Die Sterne erscheinen am Himmel, darunter auch wieder der besonders helle Stern. Aber kein Mond, dabei ist doch heute Mond-Tag (Montag). Ja ist ein flauer Scherz.

 

Wir hocken im Dunkel am Feuer und erzählen uns Geschichten.

Gibt es einen besseren Platz zum Geschichten erzählen, als in der einsamen Wildnis am Lagerfeuer im Dunkeln? Vielleicht am Kamin, aber auch der kommt nicht an das einsame Lagerfeuer heran. Und so erzählen wir uns Geschichten, schmauchen ein Pfeifchen dazu und freuen uns darüber, das wir hier sind und nicht zu Hause.

 

Stockdunkel und erst halb sechs. Die Handschuhe gefrieren an den Fingerspitzen, scheint kalt zu sein.

 

Gegen halb acht kriechen wir ins Zelt. Die Schlafsäcke sind eisig kalt und im Kopfbereich vereist, das innere des Zeltes mit Raureif überzogen. Bei jeder Bewegung gibt es eine kalte Dusche Raureif von der Zeltwand..

Temperatur Minus 23 Grad. Da geht ja noch. Kommt mir kälter vor.

 


Auf dem Trail

 

Dienstag, 16.01.2001, 4. Tag

 

Position: Irgendwo im Wald nahe Sörvika

Wetter: Mondschein und funkelnder Sternenhimmel, Minus 25°

 

A

ls ich wach wurde, hatte ich kalte Füße und die Blase begann auch so langsam zu drücken. Wird Zeit aufzustehen. Holger ist schon raus und macht Feuer. Schnell um nicht zu kalt zu werden öffne ich den äußeren Schlafsack, dann das Inlett und greife nach meiner Mütze. Dann schnell die dicke Fasepelzjacke übergezogen und die Weste mit der Ausrüstung da rüber. Jetzt raus aus dem Schlafsack und rein in die Hose. Es folgen die dicken Filzstiefel und raus, dabei mit der linken Hand den Parka ergriffen, einmal schnell gedehnt und dann den Parka über. Brrr ist das kalt. Bei jedem Schritt knirscht der Schnee laut unter den Sohlen. In der Stille hier klingt das Überlaut.

So, jetzt noch zum Baum, auf dem Rückweg noch etwas Feuerholz gesammelt, das Feuer brennt ja schon, und dann schnell die Hände am Feuer gewärmt.

„ Hurra, wir leben noch.“

„ Hey, auf den Satz habe ich schon die ganze Zeit gewartet.“

„ Hähä.“

„ Frisch was?“

„ Hmm, müssen uns erst wieder an die Kälte gewöhnen.“

„ Jo, aber ist schon gut, dass wir gefahren sind, nech?“

„ Klar Mann, ich habe das hier echt vermisst.“

„ Ja, ich auch. Schade das die anderen Jungs nicht mitwollten, nech?

„ Hmm, ach was soll’s? So ist auch nicht schlecht.“

 

 Kaum habe ich etwas Gefühl in den kältestarren Fingern, fülle ich den Kaffeekessel mit Schnee. Inzwischen ist das Feuer kräftig genug und ich hänge den Kessel darüber. Jetzt heißt es warten, denn wir müssen noch zwei mal Schnee nachfüllen, bis wir den Kessel voller Wasser haben. Zwischenzeitlich macht sich Holger schon mal über den fetten Speck her. Für mich das Zeichen in seiner Pfanne etwas Schnee zu schmelzen und dann aus dem warmen Wasser, Mehl und weiteren Zutaten wie:

Backpulver, Zucker, Müsli, Rosinen, Salz, Buchweizenmehl, Maismehl und Zimt

einen Brotteig zu kneten. Den Teig teile ich in vier Kugeln, welche ich noch einmal kräftig durchknete und dann zu kleinen Fladen flach drücke.

Aber bevor er gebacken wird, kocht das Wasser im Kessel. Wir füllen fünf Löffel Kaffeemehl nach und hängen den Kessel noch einmal über das Feuer. Bis der Kaffee aufkocht, brät Holger schon mal die Speckwürfel über dem Feuer. Kaum kocht der Kaffee ( wir erkennen es daran, dass sich der Kaffee zischend ins Feuer ergießt ) reiße ich den Kessel vom Haken, fülle etwas Schnee nach, damit sich das Mehl setzt und dann gibt es die erste Tasse Kaffee des Tages.

„ Na?“

„ Was, na?“

„ Nun sag es schon?“

„ Was soll ich sagen?“

„ Coffee.“

„ Was ist mit Coffee?“

„ Mann, sag schon den Satz: a coffee in the morning time...“

„ Brauch ich doch nicht, hast Du ja schon, hähä.“

„ Ohh, Mann.“

 

Nachdem Holger den Speck ausgelassen und je nach Form mehr oder weniger nett auf dem Schneidebrett arrangiert hat, genießen wir den Geschmack vom Speck, dazu Kaffee, wooooooowwwwww, was für ein Geschmack.

 

Jetzt bin ich dran, ich nehme die Pfanne und lege die vier Teigstücke in das Fett und backe langsam den Teig über der Glut und den Flammen. Holger passt immer gut auf, dass das Feuer nicht ausgeht, denn Kiefernholz bildet keine langanhaltende Glut. Da müssen wir aufpassen.

Wenn dann das Brot schön brauen ( manchmal leider auch ziemlich schwarz ) ist, dann beginnt das eigentlich Frühstück. Holger hat inzwischen den Kessel mit Schnee und einem weiteren Löffel Kaffee nachgefüllt und aufgehängt. So ist Brot und Kaffee gleichzeitig fertig und wir können genießen.

„ Monsterguter Kaffee, was?“

„ Jo, schmeckt ausgezeichnet. Wie habt ihr das bloß immer mit dem löslichen Kaffee

   ausgehalten?“

„ Verstehe ich auch nicht mehr. Hatten wohl immer das Gefühl, im Kessel bleibt der ganze

  Satz hängen.“

„ Geht doch gar nicht, den habe ich immer in der Tasse, hähä.“

Sprach`s und spuckte kräftig aus. Und wirklich, im Kessel bleibt eigentlich kein Kaffeemehl hängen. Da wir den letzten Rest, den mit dem Satz, nicht mehr trinken, schütten wir es einfach aus und der Satz geht mit raus. Danach schön eine Pfeife geschmökt und dann ab in den Wald, Händewaschen aber erst am Feuer. Ich habe meine Lektion gelernt.

 

Tagebuchschreiben entwickelt sich zu einem echten Problem. Der Kugelschreiber friert immer ein. Ich muss ihn zunächst über dem Feuer auftauen, dann geht es für kurze Zeit.

 

Als die Sonne aufgegangen ist, packen wir zusammen. Noch immer sind es unter 20 ° Minus.

„ Frisch was?“

 

Diesmal wollen wir besser die Schlitten bepacken. Sie sehen auch recht gut aus. Holger startet und ich folge ihm. Doch keine zehn Meter kommen wir weit, da kippen die Schlitten fast synchron um. Aufstellen und weiter, aber wieder kommen wir kaum vorwärts, da kippen sie erneut um. Die gesamte Ladung hat sich dabei soweit verschoben und gelockert, dass wir abbrechen müssen. So geht das nicht. Also zurück ins Camp. Hier entschließen wir uns dazu, dass Holger seinen Rucksack auf den Rücken nimmt und ich meine große Tasche. Gesagt, getan. Jetzt sind die Schlitten nicht mehr so hoch beladen und es geht. Wir halten uns noch immer in Richtung NNO, dort wähnen wir unser Ziel Nordvika. Mal sehen.

 

Plötzlich vor uns eine steile Kannte, sie führt offensichtlich runter auf ein Moorgebiet. Ein Blick auf die Karte hilft uns auch nicht recht weiter. Es gibt hier drei solcher Moorgebiete. Wo sind wir? Egal. Wir steigen die Kannte herunter. Dabei entwickeln natürlich die Schlitten eine gewisse Eigendynamik. Ständig setzen sie zum Überholen an. War schon die Hochfläche eher eine Mondlandschaft mit Hügeln und Steinen wild verstreut und fast immer im Weg liegend, so steigert sich da beim Abstieg noch einmal gewaltig. Es dauert ziemlich lange, bis wir uns durch dieses Wirrwarr heruntergearbeitet haben. Noch einmal schauen wir auf die Karte. Anscheinend sind wir jetzt zu weit nach Norden abgekommen. Also, da es dort auch nach der Eisfläche des Femund aussieht, wenden wir uns wieder weiter Südlich. Über das gefrorene Moor arbeiten wir uns voran. Am Ende des Moores ( wenn es denn eins ist ??) knackt und ächzt das Eis unter uns. Gut das wir danach festen Boden unter den Füßen haben. Vor uns taucht ein wahrer Urwald auf. Kein Durchkommen mit den Schlitten. Nur Felsen, Stümpfe und dicht stehende Bäume. Weiter im Osten ein Hügel. Nach kurzer Beratung lassen wir das Gepäck zurück und gehen rekognoszieren. Dabei stellen wir fest, das ist der falsche Weg, also zurück und weiter östlich gehalten. So durchkämmen wir das Gelände. Da wir nicht wieder im Dunkeln Essen wollen, hatten wir schon vorher beschlossen, dass wir spätestens bis 14:00 Uhr ein Camp gefunden haben müssen. Im Osten sieht es nicht gut aus, also zurück Richtung Norden. Wieder befinden wir uns auf einem gefrorenen Moor. Mittendrin so etwas wie eine Insel, leicht erhöht und mit dicken Kiefern. Sieht gut aus. Wir suchen sie auf und legen fest, hier lagern wir.

Jetzt zurück zum Gepäck. Hier stelle ich fest, dass ich vermutlich das Beil aus der Tasche verloren habe. Anstatt dass wir zunächst zum Gepäck gehen, wandern wir auf unserer alten Spur zurück bis zum Camp, finden aber das Beil nicht. Das verstehe ich nicht. Holger hätte, der meist als zweiter Mann ging, auch beobachten müssen, wie ich es verlor. Aber wo ist es? Doch in der Tasche? Habe ich nur nicht richtig nachgeschaut? Blöde einen so wichtigen Ausrüstungsgegenstand zu verlieren. Nacheinander holen wir Schlitten und Tasche nach ins neue Camp. Und siehe da, das Beil war doch in der Tasche.

 

„ Das glaube ich ja nicht. Lässt der Kerl uns zurück laufen und hat das Beil doch in der

    Tasche.“

„ Grrrrrrr.“

 

Eine der ersten Tätigkeiten ist es geworden, das Thermometer auszupacken. Es zeigt nach kurzer Zeit Minus 28° an. Oha. Und das quasi am späten Mittag. Unsere Bärte sind vereist, genau wir die Jacken in der Nähe des Mundes. Müde stehen wir umher und trinken den Tee, den wir uns morgens noch in der Thermoskanne gebrüht hatten. Erst mal Holz sammeln und ein Feuer an, darauf kochen wir Essen und anschließend sammeln wir Feuerholz für den langen Abend.

 

Umgehend fällt die Dunkelheit über das Land. Die Sterne erscheinen am Himmel, aber kein Mond. Der hätte ja noch ein wenig Licht gegeben. Wir hocken am Feuer und halten uns warm. Trinken Saft, rauchen und erzählen uns Geschichten. Über uns breitet sich der gewaltige Himmel des Nordens aus. Einer gewaltigen Glocke gleich. Jeden Laut verschlingend. Das Schweigen des Nordens lastet auf dem Land. Und doch ein irrer Anblick, die Sterne scheinen fast zum Greifen nahe, der Himmel so schwarz wie er nur sein kann.

 

„ Das ist ja eine echt Monsterfeuerstelle, was?“

??ja, die ist gut.“

Holger holt mich aus meinen Gedanken. Die Feuerstelle ist wirklich gut gewählt. Das Feuer selber brennt auf eine Steinplatte und die Rückseite ist ein großer Felsen, Höhe etwa gute Sitzhöhe. Der Felsen reflektiert schön die Wärme. Im Vordergrund ein niedrigerer Felsen, der reflektiert nur die Wärme zum Feuer zurück. Klar das da ein Feuer gut brennen kann in dieser Rinne. Luft von oben und unten. Und wir können neben dem Feuer auf dem leicht gewärmten Felsen sitzen.

Später stellt sich Holger sogar im Spreizschritt über das Feuer und lässt sich den Hintern wärmen.

Gegen halb acht gehen wir schlafen, ein letzter Blick aufs Thermometer, Minus 32°. Scheint eine „frische“ Nacht zu werden.

 

Es kostet schon Überwindung in den gefrorenen Schlafsack zu kriechen. Kaum berührt man ihn, schon sind die Hände und Finger völlig gefühllos. Verdammte Kälte. Schon das ins Zelt setzen kostet Überwindung. Dann diesen eisigen Schlafsack überhaupt anpacken. Schlimm dann noch den Reißverschluss zu öffnen und das Fleeceinlett ordnen. Jetzt muss ich mich auch noch ausziehen, nein nicht ganz, nur bis auf die Unterwäsche. Schnell die Socken wechseln. Und dann rein, zunächst ins Fleece, dann in den eigentlichen Schlafsack. Ständig rieselt dabei Raureif von der Zeltwand runter. So dauert es, bis ich richtig liege, dann der Kampf mit den Kapuzen. Zunächst mal den Kopf in die Fleecekaputze gesteckt. Jetzt unter dem Rücken heraus die verdrehte Kapuze vom Schlafsack gesucht und rausgezerrt. Geschafft. Unter dem Kopf die Rolle ( Schlafsackbeutel mit einigen Kleidungsstücken ) geordnet.  Geschafft? Nein, jetzt erst mal die Bänder der Schlafsäcke geordnet. Ein Doppelband gehört zum Fleece, eins ist vom Wärmekragen des Schlafsacks, zwei von der Kapuze zum positionieren selbiger und eins zum Schließen der Kapuze. Wie soll man da die ganze Nacht die Ordnung behalten? Lange dauert es, bis ich im Schlafsack wieder warm werde, dann aber wir es richtig gemütlich und kuschelig. Nur das Gesicht hat es nicht leicht. Es ist fast völlig mit dem Fleeceinlett verdeckt, nur die Nase schaut ein wenig raus und wird sofort kalt. Im Kerzenschein steigt der kalte Atem wie eine dunkle Wand hoch und setzt sich an der Zeltwand als Stalaktiten ab.

„ Heute ist das hier ja richtig Monsterkalt, oder?“

„ Was hast Du eigentlich ständig mit Deinem „ Monster“ Wird dass das Wort des Urlaubs?“

„ Könnte, ist doch echt Monsterhaft, oder“

„ Na denn, einen Monsterschlaf wünsche ich, hähä.“

„ Jooo, Monsterdank.“

 

Ich schlafe recht schnell ein.

Wie spät es ist, als ich von Holgers  Rumoren geweckt werde, weiß ich nicht. Er versucht mich anzusprechen. Aber wie! Ich bin richtig erschrocken. So habe ich Holger noch nie gehört. Seine Stimme klingt ohne Kraft, hohl und zitterig. Er zittert am ganzen Leib wie Espenlaub im Wind. Mein Gott, was ist los?

„ Bbbbbbist Ddddu wwwwwach?“

„ Hmm. Was ist?“

„ Wwwweiß auch nnnicht, mmmir ist ssso kkkalt, versteh ich aaauch nnnicht.“

„ Und nun?“

„ Ddder Autoschlüssel ist iiiin dddder Wwwsste, Außentttasche.“

„ Ja und? Warum erzählst Du mir das?“

„ Wwwweiß auch nnicht, ich glaub iiich muss mmmal. Aber bbbessser Dddu weißt wo eeer

   ist, fffür allle Fffälle.“

„ Spinnst Du?“

„ Iiii ggglaubbbbee iiich musss mal.“

„ Dann mal los, wenn’s danach nicht besser ist stehen wir auf, ok?“

„ Jjjja, iich mmmach mmich dddan mal aaauf dden Weeg, nnech?“

„ Hey, wird schon, danach ist bestimmt alles wieder ok, ganz sicher Mann.“

„ Hhhoffentlich.“

Reißverschluss eins geht auf, danach wildes Rumoren, das ganze Zelt wackelt und es schneit heftig im Inneren. Dann der Zelteingang. Knirschende Schritte. Verdammt, was ist mit Holger los? So hab ich ihn noch nie gehört. Der Junge hat ja gar keine Stimme mehr. Hoffentlich ist das Zittern gleich vorbei. Jetzt aufstehen und Feuer machen? Verdammt. Und wir haben kaum Holz und wo ist das Kakaopulver? Mit ist gar kein bisschen kalt. Das kann doch nicht sein, dass er so friert, dass muss an der Blase liegen. Es muss einfach so sein.

Anscheinend habe ich den richtigen Ton getroffen, keine Panik gezeigt.

Da! Knirschende Schritte, die Eingangsplane fliegt auf und ein Schwall eisiger Luft kommt ins Zelt. Beim Reinklettern stößt Holger an die Zeltwand, was bedeutet, dass es im Zelt wieder kräftig schneit. Ich bekomme ein tüchtige Dusche auf mein Atemloch.

„ Gut gezielt, Alter.“

„ Wwwas?“

„ Schon gut, war`n Scherz. Wie ist? Besser?“

„ Ggglaube schschschon, gggeiler Stststernenhimmel, daaaa oben.“

Heftiges Wühlen und Rumoren, dann wieder Stille.

„ Und?“

„ Vvviel Besser, ich glaube es lag wirklich nur an der Blase“

„ Sag ich doch.“

„ Ich hatte keine Kontrolle mehr über das Zittern. Noch nie gehabt.“

Oha, danach kommt die Müdigkeit und dann: Helm ab zum Gebet. Das wäre es dann.

„ Scheint echt Monsterkalt zu sein, was?“

„ Jjja.“

Nach kurzer Zeit hört er auf zu Zittern. Ihm wird wieder warm. Glück gehabt. Ich glaube, das war sehr sehr knapp an der Grenze.

 

Im nachhinein wird mir eigentlich erst richtig bewusst, wie sehr mich diese Situation geschockt hatte. Holger ist nun wirklich ein Typ, der hart im nehmen ist. Und dann sah ich ihn eigentlich sehr hilflos. Das musste ich erst mal verarbeiten. Hinzu kam eben, dass mir grausam klar wurde, dass wir Dinge außer acht gelassen haben, die in diesem Grenzbereich in dem wir uns befinden Lebenswichtig sind. Das: was wäre wenn..... hat mich nach dem Urlaub noch lange beschäftig. Waren wir sonst immer zu dritt oder zu viert unterwegs, so hatte sich die Veraantwortung auf mehre Leute verteilt. Jetzt aber war Holger in Gefahr und ich alleine. Das war wirklich eine Grenzsituation.

Was hätte ich gemacht, wenn jetzt etwas passiert wäre? Alleine der Gedanke, es seiner Frau später zu erzählen.

Zurück in Hamburg haben mich viele Leute gefragt, wie es denn gewesen sei. Kalt? Wie soll man denen erzählen, was es wirklich bedeutet in dieser Kälte zu sein? Das geht gar nicht, dazu reicht das Vorstellungsvermögen der meisten Leute gar nicht aus.

 

 Sicherlich ist es draußen so richtig kalt. Im Zelt sicherlich fast fünf Grad wärmer. Ich schätze die Innentemperatur auf Minus 35 °. Später werde ich erfahren, das ich damit ziemlich recht hatte.

Immer wenn ich zwischendurch wach werde, weil meine Nase eiskalt geworden ist, horche ich ob Holger noch atmet. Tut er.

 

Das Atemloch bei mir ist das blanke Eis.

Das ist vielleicht ein blödes Spiel mit dem Atemloch. Nase raus ist zu kalt und durch das Fleece geatmet bekomme ich irgendwann zu wenig Sauerstoff. Also wieder ein Loch auf gemacht und die Nase wird kalt. Vorsichtig lege ich einen Zipfel vom Fleece so auf die Nase, dass darunter die Möglichkeit zum Atmen bleibt, aber die Nase warm bleibt oder wird. Klappt leider selten für längere Zeit. Das Ziel ist es, einzuschlafen, ehe die Nase zu kalt wird.

 

 

 

Mittwoch, 17.01.2001, 5.Tag

 

Position: Moorcamp, irgendwo zwischen Sörvika, Nordvika und dem Femundsee

Wetter:   Sterneklarer Himmel, kein Mond, klirrender Frost, Minus 34°, Uhrzeit, 09:30

 

L

ausig kalt ist es. Holger hat den Rest der Nacht gut und ohne Schäden überstanden. Während ich Holz suche, macht er Feuer.

 

Das Land ist unter der Kälte erstarrt. Nichts regt sich, kein Tier, keine Geräusch und auch nicht der leichteste Lufthauch. Nur wir sind hier das einzige Leben in der menschenfeindlichen Umgebung. Eine ganz eigenartige Stimmung. So etwas gibt es nur hier im Norden. Der Schriftsteller Jack London beschreibt sie mit den Worten:

 

„Das Schweigen des Nordens“.

 

Wer das noch nicht selber erlebt hat, kann es sich nicht vorstellen. Die eisige Kälte frisst wirklich alles. Keine Bewegung, keine Geräusche einfach nur stille eisige Kälte.

 

Beim Atmen frieren einem heute die Nasenlöcher zu. Unglaublich. Die Handschuhe gefrieren an den Spitzen und in meiner Hosentasche das Taschentuch ist bretthart gefroren, obgleich es dich an meiner Haut ist.

 

„ Hurra, wir leben noch.“

„ Das kannst Du heute wirklich laut sagen.

„ Ja, dass war aber auch was mit Dir. Unglaublich. Sollte das ein Test sein?“

„ Nein, keine Ahnung. Ich hatte echt schon Panik.“

„ Ich auch. Mann, wie hätte ich das Deiner Frau erzählen sollen?“

„ Was?“

„ Na, wenn ich dich steifgefroren da abgeliefert hätte? Den Schlüssel fürs Auto hätte ich ja

  gefunden. Nur anspringen müsste er dann.“

„ Wie? Hättest Du mich etwa nach Hause gebracht?“

„ Nee, glaube nicht. Ich hätte Dich erst mal hier gelassen. Hältst dich hier ja lange frisch.

    Los jetzt erst mal Frühstück.“

Holger starrt mich sprachlos an, besinnt sich dann aber und beginnt kopfschüttelnd mit den Vorbereitungen. Was ihm wohl gerade jetzt durch den Kopf geht?

Es gibt Brot mit Sardinen und Knoblauch. Das Brot schmeckt gut, ist auch sehr gelungen, aber die Knoblauchpaste war wohl etwas viel. Wir lassen es uns nicht anmerken, aber genaugenommen schmeckt es nicht. Nein, es ist grausig. Der schöne Brotgeschmack wird von der ekeligen Knoblauchpaste zunichte gemacht. Mit viel Kaffee spülen wir den Geschmack runter. Schwamm drüber, die Paste nehme ich nie wieder mit. Versprochen.

 

Als die Sonne durchkommt, ist das Thermometer auf Minus 25° gestiegen.

Wir hängen zum Auslüften die Schlafsäcke raus. Holger hat dazu seine Rettungsleine zwischen zwei Bäume in die Sonne gespannt. Über sie hängen wir die Schlafsäcke. Ob es etwas bringt, wissen wir auch nicht, aber schaden kann es nicht. Denn die Schlafsäcke waren schon auf den Isomatten festgefroren.

 

Die Sonne scheint so schön und es scheint wärmer zu werden, die Gelegenheit uns zu waschen.

 „ Was meinst Du? Wollen wir uns schon heute waschen? Nicht erst am letzten Tag?“

„ Gute Idee, sonst wäre das wohl auch etwas gestellt gewesen, so am Auto.“

„ Na dann mal los. Ich zuerst? Danke.“

 

Also erst mal die Vorbereitungen. Handtuch, wofür auch immer bei dem Schnee und die Sitzkissen zum draufstellen ohne Stiefel. Dann, Klamotten runter...

„ .....was soll die Unterhose?...“

also alles aus und zu einer guten Stelle gelaufen und dann Schnee marsch. Es ist so kalt, der Schnee schmilzt nicht mal richtig auf der Haut sondern rieselt einfach nur runter. Im ersten Moment ist es schon ganz schön kalt, doch dann recht angenehm. Alle Stellen einmal abgerieben und dann zurück. Handtuch über den Körper, das Blut ist direkt unter der Haut, das Herz pumpt fleißig, der Kreislauf ist voll da. Und schnell wieder zurück in die Klamotten. „ Das tut richtig monstergut. Mach hin.“

„ Monster, Monster, Monster. Ich höre immer dieses Wort. Klar, geht gleich los.“

Jetzt folgt Holger mit dem gleichen Szenario. Auch ihm gefällt es. Ist schon ein wenig irre, so bei knapp unter 20° Minus nackt durch den Schnee zu laufen und sich mit selbigen abzureiben. Aber es macht Spaß und tut vor allem gut. Danach bin ich so richtig aufgepuscht.

Ursprünglich hatte ich die Idee, ein Loch ins Eis zu schlagen und ab in die Fluten. Das Wasser ist ja deutlich wärmer als die Luft. Kann also gar nicht sooooo schlimm sein. Glück oder Pech? Hier gibt es kein Wasser unter uns. Tscha, was ist es nun? Sage ich Pech, komme ich groß raus. Sage ich Glück klingt das ein wenig feige. Also sage ich: Nächstes mal mach ich es.

 

Irgendwie scheint es wirklich wärmer zu werden, der Frost ist nicht mehr ganz so beißend.

 

Unsere Zeltkerze löst sich auf. Als ich sie anfasse zerspringt sie in vier Teile, beim Versuch sie zu reparieren noch einmal, also bereits in acht Stücke. Holger versucht danach sein Glück mit einer Reparatur, die Seiten zusammenschmelzen, doch auch wenn es zeitweilig ganz gut aussieht, es bringt nicht, sie zerfällt immer weiter. Schade, war ganz angenehm die Kerze, hat immer schön Licht gespendet.

Ab jetzt muss Holgers Zeltlaterne eben das Licht spenden.

 

Zeit fürs Mittagessen. Ist ein ganz anderer Schnack, so im Hellen zu kochen und zu essen.

Im Hellen sieht man auch mal, was im Topf so abgeht. Nachdem der Topf einigermaßen sauber ist, machen wir uns auf um Holz zu sammeln. So langsam ist hier alles abgegrast. Ohne Schneeschuhe machen wir uns auf dem alten Pfad vom Hinweg auf. Einige alte Kiefern haben in Griffhöhe einiges an trockenem Holz und ein umgestürzter Baum ist ein Eldorado für Holger und das Beil. Ratz Fatz hat er einige richtig dicke Äste abgeschlagen und  so können wir mit der Beute zurück ins Lager ziehen.

 

Im Osten leuchtet die Gebirgskette Illuminieren im Licht der untergehenden Sonne noch einmal hell auf. Ein wirklich schöner Anblick. Unten das Land schon mehr im Dämmerlicht und da oben der Gebirgskamm hell leuchtend. Sieht aus wie am späten Abend, dabei ist es doch noch früher Nachmittag.

Verdammt sind die Tage hier kurz. Ab halb zehn wird es erst richtig hell und um vier ist es schon wieder dunkel.

Es scheint weiter wärmer zu werden, das Thermometer zeigt sogar einmal 13° Minus an. Den dicken Parka brauchen wir so nicht. Das ändert sich aber schnell, denn um halb vier haben wir bereits wieder Minus 22°, also alles beim Alten.

Wir verlagern das Zelt nach unten auf die Moorfläche. Zweimal auf der gleichen Liegefläche liegen ist nicht so der Hit. Die Körperwärme dringt durch die Isomatte und lässt den Schnee schmelzen und er gefriert später wieder. Man würde auf einer Eisfläche liegen. Zu hart.

 

Östlich von unserem Camp ist ein kleiner Hügel. Da ich nun mal zu den Leuten gehöre, die immer wissen wollen, was hinter dem nächsten Berg ist und wie es da aussieht, muss ich einfach mal los und nachschauen. Also Schneeschuhe untergeschnallt, die Skistöcke genommen, Holger Bescheid gesagt und los.

Langsam marschiere ich über das Moor oder sollte es doch ein kleiner See sein? Keine Ahnung. Der Aufstieg st steil und ich muss in kleinen Serpentinen hochsteigen. Ansonsten würde ich sofort wieder runterrutschen, trotz der Spikes unter den Schneeschuhen.

Oben angekommen kann ich den Femundsee oder wie ich eher vermute die Buch von Norvika. Gar nicht mehr so weit weg. Das hätten wir leicht schaffen können. Nun ist es zu spät, denn morgen geht es schon zurück, Richtung Auto.

Oben auf dem Hügel liegt ganz wenig Schnee. Ich überlege, die Schneeschuhe abzulegen, da überall Felsen durch die karge Schneedecke schauen, lasse es dann aber doch.

Weiter gehen ich und erstarre, ein Blockhaus?

Hier oben auf dem Berg? Wie kommt das denn dahin? Vorsichtige nähere ich mich und muss dann lachen. Von wegen Blockhaus, ein Felsblock ist es. Sah aber zunächst wirklich wie ein Haus aus. Unglaublich.

Auch von hier kann ich noch die Bucht sehen. Das muss ich Holger morgen mal zeigen. Langsam gehe ich zurück. Der Himmel spielt mal wieder mit seinen Farben. Im Westen leuchtet er Babyrosa auf und färbt auch die wenigen kleinen Wölkchen so ein, welche vor einem Babyblauen Himmel stehen. Im Osten tiefgrau mit den leicht nachleuchtenden Bergen. Ständig verändern sich die Farben. Wäre es nicht so schneidend kalt, ich würde mich hier hinsetzen und dem Farbenspiel zuschauen.

Als ich an den Abstieg komme, sehe ich im fast dunkeln unser Feuer als kleinen hellen Lichtpunkt. Die Bäume um das Feuer sind schon Nachtschwarz. Ein kleiner Lebenspunkt im weiten eisigen Norden. Ein Zuhause.

 

Im Camp flackert hell das Feuer. Kaum habe ich Holger von den Farben, vom Haus und dem See erzählt, verblasst jegliche Färbung am Himmel und alles wird grau.

 

„Hoffentlich haben wir genügend Holz bis morgen? Ob wir morgen noch Glut haben?“

„Morgen früh brennt das Feuer noch.“

„Wie das?“

„Na, ich bleibe die ganze Nacht am Feuer und unterhalte es.“

„ Häää?“

 

Da hat aber jemand Angst vor der Kälte.

Also, das in den Schlafsack kriechen entwickelt sich zum Grauen. Im Zelt ist alles so irre kalt, was man auch berührt. Vor allem das Äußere des Schlafsacks. Sofort hat man völlig gefühllose Finger. Mit Handschuhen geht das auch nicht. Also Handschuhe aus.  Nein das macht keinen Spaß, aber nach spätestens zehn Minuten liegt man dann im wohlig warmem Sack. Dann ist alle vorherige Qual vergessen. Na ja, ein wenig dauernd diese zehn Minuten schon. Ganz tief krieche ich in den Schlafsack rein. Vorsichtig zupfe ich mit die Fleecekaputze ins Gesicht, bloß nichts freilassen und darüber schnell noch die dicke Kapuze vom eigentlichen Schlafsack. Langsam, ganz langsam werde ich wieder warm. Am längsten dauert es meist mit den Händen. Wenn ich mich an die vorherigen Touren erinnere, dann habe ich nach kurzer Zeit immer den Schlafsacke etwas geöffnet, weil mir so warm wurde. Das hatte ich auf dieser Tour noch nie, im Gegenteil. Bis zum nächsten morgen nicht. Das klingt jetzt sicherlich etwas verwunderlich, eher wie ein Jammern. Klar in dem Moment, wo man in den Schlafsack kriecht ist das wirklich mehr als unangenehm. Aber wenn das Frieren aufhört, dann kommt der Moment, wo ich weiß, warum ich das machen. Es ist schön, im „molligen“ Schlafsack in der Kälte zu liegen. Wirklich.

 

Noch vor Mitternacht muss Holger hoch, Blase leeren. Dabei war er im Laufe des Abends bestimmt fünfundzwanzig mal am Baum um auch noch den letzten Tropfen aus der Blase zu pressen. Und was hat es geholfen? Nichts. Hähä.

 


 

Donnerstag, 18.01.2001, 6. Tag

 

Position: Moorcamp, irgendwo zwischen Sörvika, Nordvika und dem Femundsee

Wetter:   Nebel, kein Mond, Frost, Minus 30°

 

N

ebel, überall Nebel. Die ganze Landschaft ist in diesen Eisnebel eingepackt. Und er schlägt sich auf allem nieder.

Heute morgen drückte meine Blase auch und ich stehe als erster auf. Dabei habe ich völlig vergessen, dass wir das Zelt umgestellt haben. So laufe ich erst mal in die falsche Richtung und finde den „ Pinkelbaum“ nicht. Der Nebel irritiert mich dazu auch noch. Verwirrt renne ich suchend in der Gegend rum, dann plötzlich klickt es, wir lagern ja hier unten, also ab durch Camp zum Baum. Ha, das tut gut.

 

In der Nacht hatte ich einmal den Eindruck, es ist wärmer geworden. Ich glaubte sogar in meinem Schlafsack zu schwitzen. Gegen morgen dann aber das üblich Spielchen. Tief eintauchen, das Fleece ums Gesicht verteilt und maximal ein Atemloch lassen. Möglichst auch dies nicht. Das geht bis man keine Luft mehr bekommt, weil dann den Atembereich im Fleece gefroren ist und keine Luft mehr durchlässt. Dann gibt es akute Atemluft und man wird wach. Vorsichtig öffnet man den warmem Fleecevorhang und eiskalte Luft strömt in Richtung der Nase. Brrrr, kalt. Fasst sofort hat man eine eiskalte Nasenspitze.

 

Die Landschaft ist erneut mit einer weiteren Schicht Raureif überzogen. Der Frost beißt noch immer. Ich glaube so kalte Füße hatte ich noch nie in meinem Leben gehabt. Und die verdammten Handschuhe tauen auch nur auf, wenn ich sie direkt ans Feuer halte. Kurz darauf sind sie an den Händen erneut steif gefroren.

Der Kaffeebecher in der Hand zum Wärmen der Finger, er wird zum wahren Freund in der Kälte. Dazu die Füße abwechselnd ans Feuer gehalten, damit sie auch mal etwas wärmer werden.

 

Nach dem Frühstück steigen wir zusammen noch mal auf den Hügel von gestern. Nur mit dem Unterschied, dass man heute nichts sieht. Alles ist in diesem kalten Frostnebel eingehüllt. Von dem Felsen, der wie eine Hütte aussieht, zeigt sich Holger entsprechend beeindruckt und bestätigt mir den Eindruck.

„ Und wo ist nun der Femundsee?“

„ Na, schau mal, da hinten.“

„ Aha.“

„ Und?“

„ Was und?“

„ Wie findest Du ihn?“

„ Durch den Nebel gar nicht, haha.“

„ Hähä. Kannst dir aber vorstellen, wie es ohne Nebel aussehen würde?“

„ Klar. Blaues Wasser, weiße Wellenkämme und so, oder?“

„????Hä? Ach so, ja genau.“

 

Die Sonne kämpft zwar gegen den Frostnebelvorhang an, hat aber kaum echt Chancen.

Wir packen zusammen. Dann ziehen wir bis zur Steilkante mit kompletten Gepäck. Hier lassen wir die Schlitten stehen und steigen nur mit der Tasche beziehungsweise dem Rucksack auf und dann weiter. Zunächst bis zum alten Lager. Ein flüchtiger Blick ob wir nicht doch etwas liegengelassen haben, aber das haben wir nicht. Dann geht es weiter.

„ Wannemann, wir sollten vor den Hütten ein Camp finden.“

„ Versteht sich. Bin schon am Suchen. Sehe aber nirgends `ne dicke Kiefer. Brauche

  Feuerholz.“

Komisch, überall stehen nur so dünne Bäumchen rum. Links vom Trail sehe ich eine umgestürzte Kiefer.

„ He, was hältst du davon.“

„ Sieht gut aus.“

„ Na, dann wollen wir mal. Schöner Blick, was?“

„ Genau, alles voller Nebel, echt toll.“

„ Hähä.“

Ich weiche vom alten Trail ab und ziehe weiter in Richtung Süden zu dem umgestürzten Baum. Die anvisierte Fläche ist schön eben. Da werden wir gut schlafen können.

„ Schlage vor, das Zelt da aufzubauen.“

„ Gut, das Feuer mache ich hier.“

„ Alles klar, dann wollen wir mal die Sachen holen.“

 

Auf dem Rückweg stellen wir fest, dass sich meine Schneeschuhe langsam auflösen. Der wichtigste Draht, der die Fußhalterung hält ist an beiden Schneeschuhen gerissen. Das war es dann wohl damit. Das lässt sich hier nicht mehr reparieren. An der Stelle wirkt schließlich die größte Belastung auf den Draht und der war schon 10 adrig. Na ja, ich setzte darauf, dass ich in unserer Spur auch ohne sie gehen kann. Nur wohin mit ihnen beim marschieren? Ich nehme sie auf die Schulter und ziehe mit dem Schlitten los, Holger folgt.

Nachdem das Gepäck im neunen Camp ist kümmert sich Holger ums Feuer. Ich ziehe noch mal zurück zum Camp vom hinweg, da liegt noch das Dreibein, das will ich holen.

Als ich zurückkomme hat Holger schon Holz gesammelt und startet das Feuer. Ich baue schnell das Zelt auf, brauche aber Holgers Hilfe, weil das Zeltgestänge völlig ausgeleiert ist. Zusammen geht es dann einigermaßen.

 

Irgendwie ist heute der Wurm drin. Das Camp steht zwar, aber das Feuer will gar nicht so, wie es soll. Und das Schlimme ist, wie frieren vor uns hin und haben keine recht Lust etwas dagegen zu unternehmen.

Also hocken wir da leicht missmutig rum und starren in das mehr glimmende und qualmende als brennende Feuer.

 

Ganz klar, dass wir das nicht lange durchhalten. Dann platzt uns der Kragen, wir lasen uns doch nicht vom Feuer auf der Nase herumtrampeln. Also geben wir uns ein wenig Mühe und schon brennt das Feuer so wie es soll. Das nutzen wir gleich zum Kochen. Heute gibt es Reis mit Tomatensoße. Das schmeckte mal so richtig gut, mal keine Kartoffelpüree.

 

Der Platz an sich ist nicht schlecht, aber es gibt nur wenig Holz. So sind die Wege schon recht weit um neues Holz rann zuschaffen. Beim Abbrechen der trockenen Zweige gibt es jedes Mal eine Raureifdusche von oben aus dem Baum. Bei der Kälte ist das richtig schön Erfrischend. Grrr.

 

Es ist kalt und ungemütlich. Als es zu dunkeln beginnt, reicht es mir und ich wärme meine Füße am Feuer. Das wurde auch Zeit. Immer schön im Wechsel. Rechter Fuß, linker Fuß, die Hände, rechter Fuß, linker....... So wie Schatten es uns immer vorgemacht hat. Der schwedische Eistanz.

 

Holger macht sich Sorgen, ob sein Wagen morgen anspringen wird. Ich mache auf Mut, habe aber auch so meine Bedenken. Schließlich hatten wir fast jedes Mal Ärger, wenn wir im Winter mit einem Diesel im Norden waren. Die vorletzte Fahrt mit Volkers VW- Bus endete ja schließlich in einem Desaster. So mit Batterie bei der Starthilfe geplatzt, Anlasser kaputt, Radio kaputt und dann mussten wir abgeschleppt werden und so. Bitte nicht noch einmal.

 

Früh legen wir uns hin. Die letzte Nacht in der Wildnis. Noch immer liegt das barbarische Schweigen auf dem Land. Es sind absolut keine Geräusche zu hören. Das Land ist gänzlich erstarrt. Es scheint, wir sind das einzige Leben hier im Umkreis. Ist zwar völliger Blödsinn, aber man fühlt sich wirklich so.

 

 

Rückfahrt

 

Freitag, 19.01.2001, 7. Tag

 

Position: Nahe der ersten Hütten

Wetter: Minus 28°, Nebel, kalt, immer noch total Windstill

                                                

I

n der Nacht war Holger erneut hoch. Wird wohl zur Angewohnheit.

Alles ist noch dicker mit Raureif überzogen als vorher. Nach dem obligatorischen Gang  zum Baum, kümmert sich Holger ums Feuer ich gehe Holz holen.

 

Bei Kaffee und Brot tauen wir langsam auf. Dachte ich gestern noch, ich habe die kältesten Füße meines Lebens, so muss ich gestehen, heute sind sie noch kälter. Kein Gefühl mehr in ihnen. Also müssen sie ans Feuer gehalten werden. Dabei passen ich auf, dass ich mir die Socken nicht verbrenne. Schon einmal gab es das. Ich stand am Feuer und wärmet die Füße, da meinet Volker ganz trocken: Du, deine Socke brennt. Ein schneller Blick zeigte mir die Wahrheit dieser Aussage, sie stand in Flammen. Ich steckte den Fuß sofort in den Stiefel, es zischte gewaltig, aber die brennende Socke war gelöscht. Die Socke war aber hin. Die Jungs hatten ihren Spaß. Und ich eine kaputte Socke.

 

Beim Abbauen des Lagers haben wir es nicht besonders eilig. Liegt doch die Fahrt nach Oslo vor uns und wie lange haben wir dafür auf den Hinfahrt gebraucht? Na? Von etwa 10:00 bis 18:00 Uhr

(Zusammengerechnet). Also etwa acht Stunden. Die Fähre legt morgen um 13:30 Uhr ab. Demnach haben wir also unbedeutend zuviel Zeit J

Wäre also Quatsch zu früh am Auto zu sein.

 

Da das Gestänge vom Zelt kurz davor ist seinen Geist ganz auf zu geben, der Gummizug ist so stark ausgeleiert, dass die Segmente ständig auseinander gehen, packen wir es zwar noch einmal zusammen, aber sowie ich in Hamburg bin fliegt es auf den Müll. Das hat keinen Zweck mehr. Lediglich bei einem Problem auf der Rückfahrt, dafür bewahre ich es noch einmal auf.

Meine defekten Schneeschuhe befestige ich an den Seiten am Schlitten. Hält nicht besonders gut, sollte aber bis zum Auto halten.

Noch immer liegt dichter Nebel auf dem erstarrten Land. Ganz vorsichtig versucht die Sonne durchzubrechen, es gelingt ihr aber nicht.

 

Ein letzter Blick im Camp, alles mit? Und dann ziehen wir los. Zum letzten mal auf dieser Reise.

Es geht überraschend gut mit den normalen Wanderstiefeln in der alten Spur zu laufen. So schreiten wir kräftig aus und machen gut Strecke.

Ab und an kippt einer der Schlitten um oder einer meiner Schneeschuhe verhakt sich hinter einem Strauch oder Schneehügel. Dann stoppe ich ab und Holger behebt das Dilemma. Und weiter geht’s.

Bald schon tauchen die ersten Hütten auf .

Dann kommt der letzte Berg vor dem Abstieg zum Auto.

Es kostet noch einmal richtig Kraft und Schweißt um auf den Berg zu kommen, dann folgt der Abstieg, der ist noch schwieriger, weil jetzt die Schlitten schneller sind als wir. Mit einem Skistock verhindern wir, dass uns die Schlitten in die Hacken rauschen.

Neben unserem Wagen steht ein VW-Bus. Aufgetaut! Holgers Wagen dagegen ist dick mit Raureif überzogen. Ein dick vermummter Mann entfernt sich gerade vom VW und verschwindet in Richtung See.

Dann stehen wir heftig atmend am Wagen.

Wir klatschen uns ab. Es ist geschafft.

 

Holger ist unruhig, springt er an oder nicht?

Also nicht lange gezögert, versucht. Er klettert in den Wagen, glüht vor und startet..............

Ich konzentriere mich darauf, dass der Motor vom Auto anspringen wird.

Die Batterie hat Kraft, der Anlasser dreht den Motor, aus dem Auspuff kommen erste schwarze Wölkchen, aber der Motor kommt nicht.

„ Los noch mal. Der war doch fast da.“

„ Glaubst du?“

„ Ja.“

Neuer Versuch.  Das gleiche Spiel. Noch einmal. Der Motor dreht, zündet aber nicht. Die Batterie wird schwächer. Holger steigt aus. Langes Gesicht. Das hörte sich doch schon nicht schlecht an, da fehlt doch nicht mehr viel.

„ Das wird nichts.“

„ Quatsch, versuch noch mal. Der war doch fast da.“

„ Echt?“

„ Ja[4]

Also zurück, Vorglühen und erneuter Startversuch. Nichts, nur wie vorher, aber inzwischen ohne schwarze Rauchwölkchen, nur etwas grauer Qualm. Und dazu eine sehr müde klingende Batterie. Und bei einem der nächsten Versuche macht auch die schlapp. Mist. Was nun? Da stehen wir nun. Erinnerungen an das Dilemma mit Volkers Bus kommen hoch.

„ Und nun?“

„ Vielleicht hilft uns ja der Typ. Der muss doch hier in der Nähe sein.“

„ Ja. Ich habe ein Überbrückungskabel mit.“

„ Ausgezeichnet“

„ Kommst Du mit?“

„ Jo.“

Wir suchen den VW-Menschen auf. Er ist in einer Hütte am See, ein Hund passt auf, dass wir der Hütte nicht zu nahe kommen. Sofort ist er bereit zu helfen, hat aber kein Überbrückungskabel, dass hat aber Holger, der alte Wolf[5].

Zurück am Wagen. Der folgende Dialog fand natürlich nicht in deutscher Sprache statt. Es wurde englisch gesprochen, aber im Sinne des bessern Verständnisses und um nicht englisch sprechende Leser nicht zu verwirren, gebe ich ihn in deutscher Sprache wieder. Böse Zungen behaupten natürlich, dass ich es gar nicht in englisch hätte aufschreiben können, hähä. Das ist natürlich völlig Blödsinn. Wie auch immer.

„ Wie lange stand der Wagen denn hier?“

„ Eine Woche.“

„ Oh, das ist lange. Sehr lange bei der Kälte“

„ Hm.“

Der Norweger manövriert seinen Bus passend hin und dann die Kabel angeschlossen. Unglaublich, wollte der doch auch die Kabel erst falsch anschließen. Volker kennt das ja. Er besinnt sich dann doch eines Besseren und macht es korrekt. Holger atmet durch.

Ich gehe zurück für ein Foto.

Der Anlasser dreht kräftig durch. Gebannt starre ich durch den Sucher und warte auf die schwarze Wolke aus dem Auspuff. Nichts. Das gibt es doch gar nicht. Das darf doch nicht wahr sein.

So wird das nichts. Kabel ab. Abschleppseil raus. VW vor den Opel gefahren und mit dem Seil verbunden. Vorsichtig fährt der Norweger an, der Plastikschutz am Seil platz laut knallend weg, doch er kommt nicht vorwärts, die Räder drehen durch. Ich versuche den Opel noch mit anzuschieben, aber es ist zu glatt und geht auch noch bergauf. So also nicht. Also Seil ab und den Opel zurückgeschoben, den Bus hinterher und dann neuer Versuch. Beide Wagen entschwinden meinem Blick. Dann sehe ich, wie beide den Opel zurückschieben. Also wieder nichts. Verdammt. Holger kommt. Das wird nichts, wir brauchen einen Abschlepper.

 

Er will zum nächsten Telefon gehen, ich soll schon mal das Gepäck zum Auto bringen und einladen. Der Norweger hat angeblich etwas Alkohol getrunken, deshalb kann er Holger nicht fahren. Wir glauben eher, er will den „Stinker“ nicht in sein neues Auto laden.

Holger bekommt von mir Telefongeld und wandert los. Mit der ersten Fuhre Gepäck marschiere ich zum Wagen und hole nach und nach den Rest. Noch mal kurz überlegt, was wir auf der Fähre brauchen und dann packe ich ein.

 

Das Warten beginnt. Eigentlich könnte ich zumindest schon mal die Unterwäsche wechseln. Ja, ist eine gute Idee. Also, saubere Wäsche raus und etwas von der Straße weg. Was wäre denn das für ein Bild, mitten auf der Straße bei knapp 30° Minus ein nackter Mann auf der Straße? Hähä, die würden mich für völlig verrückt erklären. Auch wenn sie wohl ein wenig recht hätten, aber nein, dass muss nun nicht sein. Auch habe ich im Wald eine besser Garderobe für meine Klamotten. Also klettere ich ein wenig den Hang hoch und verschwinde hinter den Bäumen. Raus aus den Klamotten und die frische Unterwäsche angezogen. Ein gutes Gefühl. Die Long Johns lasse ich auch gleich weg. So schnell wie ich mich auch wieder anziehe, so schnell ist mir die Kälte in die Glieder gefahren.

 

So, da stehe ich nun am Wagen und warte. Schnell wird mir kalt, also gehe ich ein wenig hin und her. So ist`s besser. Doch Holger kommt nicht. Also weite ich meine Weg etwas aus, gehe, um die Zeit tot zu schlagen, geordnete Muster im Schnee ab. Noch immer ist mir kalt. Die Finger der Handschuhe sind so gefroren, dass ich meine Finger schon zur Faust geformt habe. Wird Zeit, dass Hilfe kommt. Als der Boden mit einem wirren Muster von Spuren überzogen ist, kommt Holger zurück.

„ In etwa einer Stunde kommt ein Abschlepper.“

„ Mann, das wird auch Zeit, ist ganz schön frisch. Wie weit musstest Du den gehen? Da vorne

   scheint doch auch ein bewohntes Haus zu sein.“

„ Jo, aber die haben nicht geöffnet, obgleich ich sie gehört habe. Schätze so drei Kilometer

   weiter ist ein Bauernhof. Der wollte sogar, dass ich mit ins Haus komme, habe ich natürlich

   abgelehnt. Was soll der denn denken.“

„ Hast Du mit dem „Schlepper“ gesprochen?“

„ Nöö, hat der Bauer gemacht.“

Gut für uns, dem Bauer ist sein Trecker auch eingefroren. Wir sind also nicht die einzigen mit diesem Problem.

 

Hoffentlich hat der „Reparateur“ auch Ahnung vom Diesel. Holger schaut in die Bedienungsanleitung, wo ist die Dieselpumpe? Wo wir die Dieselleitung entlüftet. Ich bin voller Vertrauen. Gehe davon aus, dass hier auf dem Lande die Monteure viel Ahnung haben.

Auch Holger will sich jetzt umziehen, vorher aber noch eine Pipe rauchen. Ein Auto kommt, die Post, vorsichtig rangiert er um den Opel, welcher etwas quer am Straßenrand steht und die Fahrbahn versperrt, herum. Er fährt zum Norweger. Der steigt zu und beide beginnen mit Blick zu uns zu quatschen. Die haben es bestimmt schön warm im Wagen, wir frieren hier.

Eigentlich wollte Holger, so gar nicht zimperlich, sich auf der Straße umziehen. Doch auf dem Präsentierteller dann doch nicht.

„ Wo hast Du dich umgezogen?“

„ Da oben.“

„ Werde da auch mal hingehen.“

Schnappt seine Sachen und verschwindet im Wald. Ich friere weiter am Wagen vor mich hin. Das ist aber auch kalt, so ohne Feuer.

 

Holger kommt zurück, im Postwagen wir noch immer gequatscht und ich friere immer noch. Dann trennen sie sich und der Postbote fährt davon. Wir warten und zittern in der immer kälter werdenden Luft, inzwischen ist schon die Dämmerung hereingebrochen und die versprochenen Stunde ist längst vorbei. Schon überlegen wir, was wir machen sollen, wenn er nicht kommt.

„ Der hat doch mitbekommen, dass wir hier am Ende der Straße sind, oder?“

„ Hat der Bauer ihm erklärt.“

„ Hoffentlich hat er’s auch kapiert.“

 

Unsere erste Idee ist, dass Holger noch einmal zum Bauer, gut drei Kilometer weg, geht. Ich soll zur Sicherheit am Wagen bleiben, nicht dass der Abschlepper, wenn Niemand am Wagen ist einfach weiterfährt.

Motorengebrumm, wir horchen auf, ich gehe zur nächsten Kuppe um zu schauen. Nichts. Holger schaut zur mir ich winke ab.

 

Dann plötzlich kommt er. Mitten auf der Fahrbahn hält er an. Verblüfft starren wir ihn an, Er sieht genau wie Volker aus. Unglaublich, nur jünger. Grinsend steigt er aus, auch seine Frau kommt raus. Holger erläuternd ihm unser Problem.

„ Kein Problem.“

Mit fachkundigen Griffen überprüft er die richtigen Teile. Anerkennend schaut Holger zu mir.

„ Der hat Ahnung.“

Zunächst wir die Dieselpumpe mit einer Art Fön angewärmt, dann die Batterie überbrückt...halt, das war der falsche Anschluss....

Nach einer viertel Stunde der erste Startversuch.

Nichts. Weiter „fönen“

Doch alle Tricks bringen nichts. Der Junge gibt sich wirklich viel Mühe um unseren Wagen vor Ort in Gange zu bringen. Aber es will einfach nicht gelingen. Also bleibt keine andere Möglichkeit, wir müssen abgeschleppt werden. „Volker“ wendet seinen Truck und dann lädt er den Opel auf.

„ Wer will mit in die warme Fahrerkabine?“

Ich schicke Holger und klettere selber in den kalten Opel.

Holger erzählt dem falschen Volker, das ich ein harter Typ bin. Kann die Wärme nicht ab. Ungläubige Blicke der beiden Norweger. Hähä.

 

Dann geht die Fahrt los. Mir kommt es vor wie ein Rodeotrip. Der Junge brättert wahrlich über die Straße. Man merkt, er kennt diese Straßenverhältnisse. Sicherlich fährt er sonst Eisspeedway. Unglaublich. Wir fuhren hier mit höchstens 40 km/h auf der Hinfahrt und der knallt die gleiche Strecke mit fast 90[6] km/h .

 

Es ist zum Glück nicht ganz so kalt, wie ich es erwartet habe. Dennoch freue ich mich, als die ersten Lichter von Røros auftauchen. Zu meiner Verwunderung fahren wir auf den Hof einer Fordwerkstatt. Dabei fahren wir doch Opel. Ich darf aussteigen und zusammen mit Holger im Warteraum der Verkaufs aufwärmen. Sogar Kaffee wird und angeboten und, jetzt der Knaller, auch das letzte Stück Torte, was da noch ist. Das lehnen wir dann aber doch ab. Aber über den Kaffee machen wir uns her. Setzen auf die guten Sessel trauen wir uns nicht. Nach zwei Kaffee schauen wir mal in der Werkstatt nach, was die da so mit unserem Wagen treiben. Er ist hochgebockt und unter dem Unterboden ein riesiges Warmluftgebläse aufgebaut. Oben fönen sie zusätzlich noch die Dieselpumpe. Sieht gut aus, an die Batterie sind noch diverse Kabel angeschlossen. Uns bleibt nur Kaffee trinken und warten.

 

Nach einiger Zeit kommt der falsche Volker und erklärt, dass er nach Hause muss. Er bekommt ein Trinkgeld, schließlich hat er sich mehr als erwartet bemüht.

Sein Nachfolger hat fast eine Glatze, dafür aber einen Schautzer wie der alte Kaiser Willhelm und einen Piratenohrring. Passt aber zu ihm. Er erzählt, dass er zwei Orte weiter draußen wohnt. Für die Gegend ist es zur Zeit ungewöhnlich kalt. Die letzten Nächte zeiget in der Stadt das Thermometer unter Minus 35 Grad an. Er grinst, als er hört, das wir im Zelt geschlafen haben. Ganz schön kalt, was? 35 Grad Wärme sind ok. Aber im Sommer gibt es dann immer viel zu viele Mücken.

 

Aus der Werkstatt dringen Startgeräusche zu uns. Aber der Motor will nicht kommen, verdammt. Die Leute haben hier volles Vertrauen in uns stinkige Typen. Ungesichert liegen hier echte Werte herum.

„Kaiser Wilhelm“ fragt, ob wir im ADAC sind. Ich gebe ihm meine Karte und er prüft. Doch wir bräuchten den Schutzbrief um damit bezahlen zu können. Den haben wir aber nicht. Ob sie denn Kreditkarten nehmen? Er schaut uns verblüfft an. Klar doch. Die nimmt hier doch Jeder. Das es damit in Deutschland Probleme gibt, will er gar nicht glauben. Schon wegen der vielen Touristen brächten sie das. Aber auch die Norweger bezahlen eigentlich nur mit Karte.

Holger kauft schon mal einen Fliesverbesserer für den Diesel. Sicher ist sicher. Noch einen Kaffee und aus der Werkstatt Startgeräusche. Hey, da fehlt nicht mehr viel. Also hin und nach schier endlosem georgele kommt der Diesel. Hurra. Holger hatte schon Angst um seinen Anlasser.

Jetzt schnell den Fliesverbesserer eingefüllt und dann die dicke Rechnung bezahlt. Na Mahlzeit. Die lassen sich ihre Freundlichkeit gut bezahlen. Und Kaffee können die jetzt die nächsten hundert Jahre umsonst rausgeben. Das ist bei der Rechnung locker drin.

 

Dann starten wir in die dunkle Nacht. Am Ortsausgang tanken wir nach. Im Verkaufsladen nehmen wir noch vier Dosen Cola aus dem Kühlregal und bezahlen bei einem unglaublich hübschen Norwegermädchen. Sie lächelt uns freundlich an, mein Blick hängt jedoch zusammen mit meiner Nase am Bratrost. Da bruzzellen herrlich duftende Würstchen für Hot Dogs. Das wäre jetzt was. Holger zahlt macht aber keine entsprechende Bemerkung. Ich verbeiße sie mir.

Draußen im Wagen sagt Holger dann doch was.

„Nette Deern, nech?“

„Ja, sah lecker aus.“

„Lecker?“

„ Ja, fandest Du nicht?“

„ Hübsch, fand ich die, aber lecker? Na ja.“

„ Und dann gleich so viele, hmmm.“

„ Wieso, da war doch nur eine? Hähä, hätte nur für einen von uns gereicht.“

„ Was? Und die anderen, jeder hätte zwei nehmen können?“

„ Sag mal, wovon sprichst Du eigentlich?“

„ Na, von den Hot Dogs, natürlich.“

„ Ach so. Ich hatte auch Hunger auf welche, aber du hast ja nichts gesagt.“

„ Du ja auch nicht. Was soll`s? Sparen wir unser Geld.“

 

Dann beginnt die Schleichfahrt nach Oslo. Wir haben viel zuviel Zeit. Mit 40 km/h zuckeln wir dahin. Über uns breitet sich erneut der schier endlose Sternenhimmel aus. Der Diesel brummt, Holger steuert und ich hänge meinen Gedanken nach und starre in die Sterne. Die Heizung beginnt zu wärmen.

„ Ich könnte jetzt ein Würstchen vertragen.“

Mich haut es fast vom Sitzt.

„ Was?“

„ Ich sagte, ich könnte jetzt ein Würstchen vertragen. Bist du neuerdings schwerhörig?“

„ Mann, ich auch, so eines wie in der Tanke.“

„ Die sahen richtig gut aus.“

„ Hättest ja auch da was sagen können.“

„ Und Du? Hast da auch nichts gesagt.“

Mein Gott. Hätten wir nur. Was haben wir jetzt? Müsliriegel und Cola. Na toll. Und  weiter zuckeln wir in die vor Kälte klirrende Nacht.

Schon den ersten Rastplatz steuert Holger an. Pause. Cola und Riegel. Dann das erste Auge Schlaf nehmen. Obgleich der Motor läuft dringt die Kälte schnell in den Wagen, es wird ungemütlich. Also weiter. So kommen Rastplatz um Rastplatz. Mal blenden uns die Autos von vorne, mal gibt es eine Beleuchtung auf dem Platz. Mehr oder weniger tief dösen wir dahin.

Bei fast jeder Tankstelle die wir sehen, muss ich mir einen Hinweis auf die Würstchen anhören. Und der Kerl meint sogar noch immer ein Schild zu sehen, welches auf frische heiße Hot Dogs hinweist.

 

Der Himmel zieht sich irgendwann zu und plötzlich sind die Bäume frei vom Frost. In einem Ort zeigt das Thermometer Minus 18° an. Schön warm haben die es hier.


 

Sonnabend, 20.01.2001, 8. Tag

 

Position: auf der Landstraße in Richtung Oslo

Wetter: dunkel, etwa 20° Minus, klar

 

W

ir rollen noch immer Richtung Oslo. Abenteuerlich wird es immer, wenn von hinten ein Auto kommt. Der Fahrer bekommt dann einen gewaltigen Schreck, weil so langsam fährt hier sonst Niemand. Holger versucht schon immer rechts ran zu fahren, zum Beispiel an eine Haltestelle vom Bus oder so. Doch immer gelingt es nicht. Hilfreich ist auch unser Fernlicht. Da sieht der andere Fahrer immer schön die Fahrbahn und ob eine längere Gerade kommt. Steigern läst sich das noch mit den Trucks. Da kribbelt es richtig am Rücken. Ist auch nicht so ohne, wenn so ein knapp 40 Tonner einem im Nacken sitzt.

Um 08:35 Uhr stehen wir kurz vor Oslo bei Mc Donalds auf dem Parkplatz. Die haben noch geschlossen. Holger schaut mal nach und kommt mit der enttäuschenden Nachricht, die öffnen erst um 10:00. So lange wollen wir hier nicht warten. Also fahren wir weiter, zahlen erst mal die Straßenmaut und weiter nach Oslo, Fährterminal. Und dabei hatte ich schon den Geschmack eines frischen Big Macs im Mund. Man glaubt kaum, wie man sich in so etwas reinsteigern kann.

Dort angekommen, können wir das Einlaufen unserer Schiffes beobachten. Mit lesen schlagen wir die Zeit bis zum Einchecken tot.

Darauf warten wir in der sich zwischenzeitlich gebildeten Schlange. Fünf dick vermummte Gestalten erschein und schließen das Kassenhäuschen auf.

„ Ich glaube die eine sah nett aus.“

„ Nie und nimmer.“

Mal sehen, ob ich nicht doch recht habe.

Am Schalter angekommen zuck Holger zusammen. Die sieht echt süß aus. Ha, ich hätte mal wetten sollen.

Ein letztes warten, dann geht es an Bord. Gepäck raus und ab in die Kabine. Duschen, duschen, duschen..............

Das tut gut. Ich fühle mich wie neu geboren. War mehr als nötig. Und dann all die herrlichen sauberen nicht stinkenden Sachen.

 

Ein erster Blick in den Duty free shop. Wir kaufen uns etwas süßes.

Im Wechsel suchen wir dann jeder noch mal unsere Kabine auf um die Toilette zu nutzen. Ich kann nicht anders und dusche schnell noch mal. Maßloser Luxus.

 

Unser Abendbrot holen wir uns im Duty free Shop. Rentierpastete, Käse, Cola, Bier, Mineralwasser, Cracker und Knäckebrot.

Mit Schrecken stelle ich fest, wir haben heute eigentlich noch gar nichts getrunken. Und gestern auch nur einige Tassen Kaffee und zwei Cola. Also erst mal ordentlich Flüssigkeit nachgefüllt. Holger versucht sich am Bier, ich halte mich lieber an die Cola. Danach schnappe ich mir das Mineralwasser. Die Rentierpastete schmeckt richtig gut. Das Wasser weniger.

 

Ein wenig gehen wir noch auf dem Dampfer bummeln, aber dann siegt doch schon die Müdigkeit. Gegen halb fünf legen wir uns hin. Holger entschnarcht schnell, ich lese noch ein wenig. Dann aber auch bei mir, Licht aus.

Ich habe keine Angst mehr, dass ich eventuell in der Nacht aufstehen muss, weil die Blase drückt.

Obgleich wir nur eine Woche in der Kälte waren, ist es für mich schier unglaublich, dass ich einfach aus dem Bett aufstehen kann und so wie ich bin, ohne Schuhe, ohne Jacke, ohne Handschuhe und ohne Mütze aufs Klo gehen kann. Kein frieren. Wahnsinn. Man steht auf, pinkelt und steigt ohne Eile zurück ins Bett. Wie schnell man sich doch von diesem Luxus entwöhnen kann. Beim Aufwachen geht der erste Griff zu den Bändern des vermeidlichen Schlafsacks und der zweite Griff zur Fellmütze.

 

 

 

Sonntag, 21.01.2001, 9. Tag

 

Position: auf der Fähre, zwischen Dänemark und Kiel

Wetter: in der Kabine trocken und zu warm

 

I

rgendwie stimmt die Kombination aus Raumtemperatur und Bettdecke nicht. Mit Decke ist es schweißtreibend warm und ohne doch zu kühl. Also die ganze Nacht über der Wechsel: Decke- keine Decke

 

Noch einmal lassen wir uns das Frühstück schmecken, nicht ohne vorher noch einmal ausgiebig geduscht zu haben.

Unten im Fahrzeugdeck warten wir darauf, dass die Fähre festgemacht hat und wir sie verlassen dürfen. Holger hat so seine Bedenken, ob der Wagen anspringt. Irgendetwas mit den Glühkerzen scheint nicht in Ordnung. Schon in Oslo sprang er nicht so an, wie er sollte. Das wird also noch einmal spannend.

Mit einem in Hamburg wohnenden Norweger kommen wir ins Gespräch. Einstieg ist sein Wagen, ein Jaguar. Er lebt mal hier mal da, hat genügend Geld für ein schönes Leben und meint, er hatte einfach Glück. Ohne besonders begabt zu sein, meint er, war er zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und hatte bei der SAS –Fluggesellschaft gearbeitet. Und da wurde er immer höher gepuscht, machte sich später selbständig und ist nun quasi ein Rentner. Nur noch für repräsentative Aufgaben wird er aktiv.

 

Dann öffnet sich die Luke und Holger glüht vor. Er glüht und glüht und betätigt den Starter. Der Anlasser rödelt und rödelt aber der Motor kommt nicht. Verdammt. Aber Holger zieht es jetzt durch. Gnadenlos rödelt er weiter und da, ganz langsam kommen die ersten Zylinder und erwachen nagelnd zum Leben. Dabei reißen sie die anderen mit und dann läuft der Motor. Hinter uns ist kaum noch etwas zu erkennen. Alles in eine fettige schwarze Rußwolke gehüllt. Das interessiert uns nicht, wir freuen uns über den laufenden Motor und machen, dass wir von Bord kommen. Einen ziemlich verblüfften Ein- Ausweiser lassen wir rußig im Schiff zurück.

 

Kiel liegt schnell hinter uns und wir gleiten über die deutsche Bundesautobahn dahin. Überrascht stellen wir fest, hier liegen die Temperaturen auch unter Null Grad und es hatte wohl auch ein wenig geschneit.

Schleichfahrt ist nicht mehr und so sind wir mit normaler Geschwindigkeit auch schnell in Hamburg.

Auspacken und die stinkigen Klamotten in die Wäsche oder auf die Terrasse.

 

 

Das war es dann mal wieder........................

 

 

 


Resümee

 

 

W

as bleibt jetzt von so einem Urlaub nach?

Zunächst mal habe ich mich wirklich erholt. Die Ruhe und die Rückkehr zu den dem Menschen ureigensten Trieben wie Essen, Feuer und Dach über dem Kopf bringen eine sonst kaum zu erlangende Erholung.

Der Anblick der menschenleeren klaren und sauberen Welt tut ein übriges.

 

Diese Reise aber hat mich auch ein wenig wachgerüttelt. Wurden doch die letzten Reisen in die Kälte schon ein wenig zur Routine.

Das Erlebnis mit Holgers Kälteanfall aber riss mich aus dieser Routine. Bisher hatten wir nie richtige Probleme und so ließ ich einige Sicherheitsvorkehrungen schleifen. Das darf nicht mehr passieren.

In Zukunft ist es einfach unabdingbar, dass wir Abends genügend Feuerholz für ein gegebenenfalls erforderliches nächtliches Wärmefeuer liegen lassen. Auch muss sichergestellt sein, dass wir für diese Fälle Starter, ob nun in Form von Grillanzündern o.ä. oder Birkenrinde bereit liegen.

Weiter sollte auch alles für heiße Getränke parat stehen, also ein zumindest mit Schnee gefüllter Kessel und Teebeutel oder Kakao.

 

Hätten wir in der Nacht hochgemusst, das wäre etwas geworden. Im dunkeln der Nacht hätte ich Holz sammeln müssen, doch die in der nähe stehenden Bäume hatten wir bereits vom toten Holz befreit. Das hätte lange gedauert bis ich genügend Holz gefunden hätte. Und für ein heißes Getränk war auch nichts vorbereitet. Im Dunkel der Nacht unter den Vorräten den Kakao finden, fast unmöglich.

Ganz ehrlich. Wir hatten ziemlich viel Glück. Vielleicht war das aber auch ein Warnung. Wir werden sie sehr ernst nehmen!

 

Wenige Tage nach unserer Rückkehr ist unser letztes Jahr bei der Fa. Globetrotter bestelltes Zelt angekommen. Für die Yukonreise[7] hatte wir uns damals ein neues Zelt gekauft, doch es wurde ja bekanntermaßen schon auf dem Hinflug in London auf dem Flughafen gestohlen.

Das neue Zelt kam leider zu spät für diese Reise. Schade. Das alte Aldizelt wird entsorgt. Aber ich kaufe, sowie Aldi sie wieder anbietet ein neues. Das alte hat über fünfzehn Jahre gute Dienste geleistet. Wäre die Liegefläche länger, es wäre echt prima für den Winter. Lässt es sich doch ganz ohne Häringe aufstellen.

Im Herbst ist es nur bedingt geeignet, da es nicht richtig wasserdicht ist und recht Windanfällig. Letzteres gilt natürlich auch für den Winter. Aber da kann man ja aus Schnee einen Schutzwall bauen.

 

Meine Schneeschuhe sind hinüber. Ich brauche also neue oder jemanden, der meine alten reparieren kann. Letzteres wäre besser. Mal umhorchen.

 

Die Schlitten. Da haben wir etwas falsch gemacht. Entweder gehen wir zusätzlich mit Rucksack oder wir brauchen größere Schlitten. Deutlich länger und etwas breiter.

 

Ich hatte ja vor gehabt, diesmal mehrere Nächte ohne Zelt zu schlafen, nur in einer Schneehöhle, Iglu oder Halbiglu. Aber das wurde nichts. Wir hatten wenig Schnee und der, welchen wir hatten war durch die extreme Kälte nicht geeignet zum Bau von einem Iglu. Einzige Chance wäre es gewesen, wenn wir uns zwei Tage Zeit genommen hätten. Wir hätten den Schnee festtreten müssen und immer neunen Schnee darauf, danach festtreten und eine Nacht abwarten. Irgendwann hätten wir dann sicherlich ein Loch in den Haufen buddeln können. Aber auf die Schnelle war da nichts zu machen. Der Schnee ist bei der Kälte so körnig und krümelig, der backt nicht mal in der nackten Hand zusammen.

 

Lebensmittel hatte ich viel zu viel mit. Aber ich denke so ist es besser. Lieber viel mithaben und nicht brauchen als brauchen und nicht mithaben.

 

Wir waren etwa 1100 Kilometer von Hamburg entfernt, Luftlinie.

Das sind elf Breitengrade und zwei Längengrade.

 

Hamburg- Rissen: 53.579 Nord /  9,766 Ost

Sörvika                : 62,413 Nord/ 11,934 Ost

 

Yahoo Wetterbericht. Hey Leute, das war wohl absolut nichts. Von wegen Minus 8 Grad, wie vorhergesagt. Es waren zwischen Minus 35 und 40 Grad. Kleiner Unterschied. Nur gut, dass wir entsprechend vorbereitet waren. Wären wir mit der ersten Ausrüstung von damals mit Dolly im März losgefahren. Ich glaube wir wären in mehr als ernste Schwierigkeiten gekommen. Das wäre mit Sicherheit schief gegangen.

Zur Erklärung, wir hatten damals keine Klimawäsche, keine dicken Faserpelze und vor allem keinen Schlafsack der einigermaßen passend ist. Es war damals ein Sommerschlafsack der auch für leichte Herbsttouren geeignet ist. Jetzt haben wir einen, der bis gut Minus 15 Grad geeignet ist. Verstärkt wird er durch einen Innenschlafsack, ebenfalls aus Faserpelz.

Die Kleidung besteht aus Kunstfaser, ist Atmungsaktiv und besteht aus mehreren Schichten. Damals hatten wir noch Baumwollhemden und Unterwäsche. Weder Atmungsaktiv noch schnell trocknend. Vor allem wärmt nasse Baumwolle nicht mehr. Anders da die Kunstfasersachen.


Anhänge:

 

Ausrüstung:    Die mit einem * versehene Dinge sind kein Muss.

 

Allgemein:

·         Zelt

·         Schneeschaufel

·         Kessel, Topf, Pfanne

·         Thermoskanne*

·         Beil

·         Leinen

·         Kerze*

·         Verbandszeug

·         Schneidebrett*

 

 

Persönlich:

·         Mütze

·         Gesichtsmaske

·         Schneebrille

·         Handschuhe

·         Parka

·         Faserpelzjacke

·         Windbreaker

·         Klimaunterwäsche

·         Hose

·         Faserpelzhemd

·         Socken

·         Wanderstiefel

·         Filzstiefel

·         Schneeschuhe

·         Skistöcke*

·         Tasse

·         Messer

·         Löffel

·         Schlafsack

·         Isomatte

·         Innenschlafsack

·         Faserpelzsocken

·         Faserpelzunterhose

·         Faserpelzpulli

·         Tabletten ( Durchfall/ Kopfschmerzen/ Zahnschmerzen)

·         Streichhölzer

·         Grillanzünder*

·         Tabakspfeife*

 

 


Verpflegung:

·         Pemmikan ( gibt Power )

·         Kartoffelpüreepulver

·         Speck ( fett und durchwachsen )

·         Wurst

·         Mehl ( 1050, Vollkorn Maismehl, Buchweizenmehl )

·         Müsli

·         Saftpulver

·         Reis

·         Nudeln

·         Tomatenmark ( schwierig bei der Kälte )

·         Tütensuppen ( für das Aussehen des Essens )

·         Kakao ( wärmt prima durch )

·         Kaffee ( grob gemahlen, ein absolutes Muss am Morgen )

·         Früchtetee ( gesund, für Unterwegs )

·         Kamillentee ( auch als Medizin )

·         Backpulver

·         Zucker

·         Salz

·         Gewürze ( rote Gewürze wärmen am besten )

·         Zimt ( fürs Frühstücksbrot )

·         Tabak*

·         Müsliriegel ( als Zwischendurchmalzeit )

·         Weingummi*

·         Schokolade*

·         Rosinen ( fürs Brot )

 

 

 

 

 

Kartenmaterial:

 

Straßenkarte Norwegen

Alternativ eine mit einem Routenplaner ausgedruckte Streckenkarte

 

Topographische Karte: Röa, Norwegen 1:50.000 Serie M711 Blatt 1719 I
Inhaltsverzeichnis:

 

 

Femund 2001. 1

Prolog.. 3

Planung.. 7

Anreise.. 9

Auf dem Trail.. 17

Rückfahrt.. 27

Resümee.. 35

Anhänge: 37

Index: 41

 



 

Index:

 


„Alten Hütte“  4

1999  3

Abendbrot  10

Abschlepper  30, 31

ADAC  32

Alten Hütte  4

Andreas Kurschatke  4

Anlasser  30

Atemloch  21, 26

Ausrüstung  39

Batterie  29

Bier  34

Blockhaus  24

Brot  18

Brotteig  17

BSE Skandal  8

Camp  13, 27

Cola  32, 33, 34

Color Linie  10

Cracker  34

Dänemark  35

Diesel  11

Dieselleitung  31

Doc Pfeiffer  3

Duschen  34

Duty free shop  34

E6  11

Eisschollen  11

Elverum  12

Erfrierungen  4

Fähre  35

Fellmütze  35

Femund  18

Femund II  14

Femunden  14

Femundsee  5, 14, 21, 24

Feuerholz  37

Feuerstelle  19

Flenskampane  16

Fliesverbesserer  32

Frostnebel  26

Frühstück  11, 18, 26

Geländewagen  9

Grenzbereich  21

Holger  2, 4, 5

Hot Dogs  33

Insel  19

Jack London  22

Kaffee  18

Kartenmaterial  41

Käse  34

Klondike River  3

Knoblauch  22

Knoblauchpaste  22

Kreditkarten  32

Lagerplatz  13

Langeland querab  10

Lebensmittel  38

Manfred Dollase  4

Mc Donalds  34

Mineralwasser  34

Mitternacht  25

Mjöson  12

Moor  18

Moorcamp  21

Motor  35

Nebelwand  11, 12

Nordvika  15, 18, 21

Opel Frontera  5

Oslo  34

Poncho  8

Prinzesse Ranghild  9

Radar  12

Raureifdusche  27

Rentierpastete  34

Rettungsleine  22

Riegel  33

Röatouren  8

Rogennationalpark  3

Rogensee  4

Røros  13, 14, 32

Rövola  16

Sardinen  8

Schatten  27

Schaufelraddampfers  3

Schlitten  37

Schneehöhle  8

Schneehöhlen  8

Schneeschuhe  6, 28, 37

Schutzbrief  32

skandinavische Buffet  10

Sörvika  5, 8, 13, 15, 17, 21

Speck  18

Stalaktiten  20

Stena Linie  10

Sternenhimmel  33

Store Svuku  16

Straßenmaut  34

Thermometer  33

Trecker  31

Überbrückungskabel  29

Verpflegung  41

Versorgungsschiffs Femund II  5

Volker  16, 28, 31

Volker Wysocki  4

Vorglühen  29

Warmluftgebläse  32

waschen  22

Werkstatt  32

Wetterbericht  15

Whitehorse  3

Wildnis  28

Woodcamp  3

Yahoo  8

Yahoo Wetterbericht  38

Yukon River  3

Yukonöfen  3

Zeltlaterne  23

Zittern  20


 

 



[1] Mittelschweden, Grenzgebiet zu Norwegen

[2] Soweit die Planung J

[3] Holgers Geländewagen, der Opel Frontera

[4] Na ja. Eigentlich nicht. Aber er muss einfach kommen. Verdammt.

[5] Wie lautet doch sein Name? Holger, Wolf von Laberge.

[6] Wie Holger mir später erzählt

[7] Yukon 1999

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